«...erster dunkler Punkt, dass ich keine Frau habe»

Die Briefe des Josef Thenen aus Kalifornien und Oregon

Crescent Citÿ, 11. 25. 19141

Camp. 11.

Lieber Bruder!

Ich habe Dein[en] Brief, wo Du mir zuletzt geschrieben hast, anfang Oktober erhalten. Und will nun mit ein par Zeilen antworten; (...)

Ich hoffe, dieser Brief treffe Dich zu Hause an und die Eid­genossenschaft brauche keine Mann und Militär mehr und habe abgerüstet, denn im Schnee kommt der Italiener doch nicht über die Alpen; glaube auch nicht, dass die Schweiz in Krieg verwickelt wird, wenn Sie es nicht selbst will. Hoffe aber, dass es sich zu Gunsten der Schweiz und zum allgemeinen Wohl bald und schnell zu Ende geht.

Die Zeiten werden hier auch schlecht. Hier im Camp sind ungefähr 50 Mann. Die andere[n] sind am August alle abgelegt worden. Zuerst glaubte man, das Camp werde geschlossen und alle Mann werde[n] entlassen; haben aber eine Maschine zum Sägen gelassen, (...) In Humbolt sind beinahe alle Camp geschlossen, und in Washingthon und Oregon das­selbe. Leute gibt es jetzt genug, und all[e] Tage hat es Man im Camp, die für Arbeit schauen. Die Mühle arbeitet 8 Stunden im Tag. Ich glaube, es gibt auf den Winter schlächte Zeiten wie lange nicht mehr, denn wirklich [es] sind die schlechtesten, die ich durchmache hier in Amerika. Calÿ Fahwer ist wieder krank, beinahe den ganzen Sommer. Räme schafft immer noch und richtet sich für den Winter ein mit Holz. Bacher verkauft immer noch Schnaps und Bier und bleibt ledig dabei; auch grüssen sie Dich. Auch viele andere fragen nach Dir, ob Du im Krieg bist und ob [du] noch nicht ver­heiratet und ein Weib habest.

Was mich selbst anbetrifft, bin ich noch der gleiche Dummkopf und habe nichts, wie vor bei­nahe 5 Jahren, als ich ein Grünhorn im Lande war. Immer schaffen, in einem sparen, kargen und geizen und alle Zeit nichts [auf der Seite]. Wenn ich heim wollte, hätte ich kaum das nö­tige Reisegeld beisammen, und mit meinem Lande ist es vielleicht auch eine schlechte Spekulation, jetzt auf die schlechte[n] Zeiten und [ich] kann zufrieden sein, wenn ich mit heiler Haut wider davon komme, sobald mich das Heimwehe mit starkem Fieber ergreift. Wenn ich mehr wie nichts hätte, käme ich jetzt. Wie du schreibst, wenn ich was Neues wissen wolle, solle ich fragen, du wollest mir sofort antworten. Klingt gerade wie Hohn. Wie manche Frage habe ich schon an Dich gerichtet und keine beantwortet und mit schneller Antwort. Ja du meine Güte, da muss man ein halbes Jahr warten, denn zuletzt habe ich dir im April geschrieben und Antwort darauf im Oktober erhalten. Antwort auf meinen Brief kann man nicht sagen, aber [immerhin] der abgestellt Briefwechsel nach langem wieder aufgenommen.

Wie ich im letzten Briefe gesehen habe, hast einen Schatz, muss ein guter sein, da du mir nicht seinen Namen nennen darfst. Wünsch Dir dennoch Glück dazu, und passe auf, dass du nicht abge­schüttet wirst, wenn die Sache ernst ist mit Dir. Ein Geschenk mache ich Dier, noch das grössere als der Schwester.

Wünsche Dir alles Beste und in der Hoffnung auf baldige Antwort grüsst Dich Dein Bruder Jos.

Grüsse auch Mutter und Schwester

Die Geschichte von Josef Thenen, dem Verfasser des Briefes, ist gut dokumentiert, da er regelmässig nach Hause schrieb. Vorhanden sind 25 Briefe an den Bruder Ludwig und an dessen Ehefrau, datiert von 1914 bis 1921, ein Dutzend Ansichtskarten, verschickt zwischen 1910 und 1920, sowie drei Briefe seiner Schwester aus den Jahren 1909 und 1911 an Ludwig, der damals in Kalifornien auch als Holzfäller arbeitete. Aufbewahrt wurden die Briefe und die Postkarten von der Nichte Ida Thenen. Während seiner Forschung zur Walliser Emigration stiess Klaus Anderegg in den 1980er-Jahren auf diese Quelle. Von ihm stammen auch Informationen über die Familie Thenen aus der Gommer Gemeinde Münster.2

Josef Thenen wurde am 11. April 1882 in Münster geboren. Die Mutter bekam danach noch zwei Kinder, Sohn Ludwig und Tochter Maria. Der Vater verstarb vor der Geburt der Tochter. In der Folge brachte die Mutter die Familie mit der Landwirtschaft (wohl eher schlecht als recht) durch. Als ungefähr 20-Jährige begannen die Brüder in Münster ein Haus zu bauen. Sie verfügten über keine handwerkliche Ausbildung, aber besonders Josef erwies sich als geschickter Holzbauer. Weil der Mangel an finanziellen Mitteln zum Problem wurde, wanderte Ludwig 1906 nach Kalifornien aus. Gemeinsam mit zwei jungen Männern aus Münster und je einem aus Obergesteln und Oberwald. Von Anfang an war der Aufenthalt in den Vereinigten Staaten als zeitlich begrenzte Arbeitsmigration gedacht. Mit dem erwarteten Verdienst sollte die Fortsetzung des Hausbaus finanziert werden.

Ludwig arbeitete als Holzfäller in Crescent City, einer Kleinstadt 30 km südlich der Grenze zu Oregon. Vier Jahre später wählte auch Josef diesen Weg – mit dem gleichen Ziel wie sein Bruder. Grund für ihn war nicht Geldmangel, sondern die unerwiderte Liebe seiner Angebeteten Maria Werlen. Er reiste im März 1910 mit einem Dampfer von Antwerpen aus in die USA. Die Reisekosten beliefen sich auf 538 Franken.

Die zwei Brüder Thenen arbeiteten während ungefähr zwei Jahren gemeinsam in Holzcamps in der Nähe von Crescent City. Schon vor Josefs Abreise hatte Maria Thenen sich in einem Brief an Bruder Ludwig gewandt:

Münster, den 13. S[eptember] [1909]

Lieber Bruder!

Ich muß Dir eine grosse Überraschung schreiben. Der Bruder Joeseph will und ist auch auf der Reise für in Amerika und daher möchte ich Dich aufmerksam machen, ob das gedeie, Mutter und Schwester zuhause allein [zu] lassen. Bedenke, dass die Mutter alt ist und [mit] mir ist.

Wenn Ihr zusammen kommen, redet miteinander; aber nicht, dass ich Dich zwinge, zurück zu kommen. Und der Grund, warum dass er von Münster geht, wird er Dir wohl sagen.

Neuigkeiten weiß ich keine zu schreiben, die [er]zählt er [Dir] gewiß genau.

Viel Grüße von der vielgekränkte[n] Mutter und Schwester Maria.

Schreibe mir zurück, sobald als [es Dir] möglich ist.

Was es für sie und die Mutter bedeutete, in Münster allein zurechtzukommen, lässt sich nur vermuten. Zwei Jahre später beschrieb sie die Notlage konkret:

Münster, den 16. Juli 1911

Lieber Bruder!

Lange kann man warten, bis ein Brief oder ein Gruß von jemand kommt, wenn Du schon ver­sprochen hast, Du werdest sofort Antwort geben. Wir haben gemeint, Du kommest zurück, uns diesen Heuet Mähder sein. Lange warten wir, aber [es kommt] keine Antwort. Ich und die Mutter wetten eines abends. Ich wette, Du kommst nach Hause; die Mutter wette[t] - ein[e] schlechte Hoffnung, wir treffen einander nicht mehr an. [...]

Schreibe Du, sobald als [es Dir] möglich ist, wie Du Dich be­findest. Und das Heu haben wir bereits in der Scheune. Von bereg[ne]tem Heu braucht man dieses Jahr nicht zu reden. Es war trocken. Kartoffel gibt es wenig und das Korn auf dem Felde haben wir keins und noch anderes gab es dieses Jahr nicht soviel wie letztes Jahr. Es verberennt alles zusammen und dennoch sagt man, wenn man nur gesund bleibt, werde es schon. [Dass] das Vieh von Dürre [von der Alp] herunterkehrt / Und anderes weiß ich nicht zu schreiben, schreibe, sobald als [es Dir] möglich ist.

Viele Grüsse von Mutter und Schwester.

Im (weggelassenen) Zwischenabschnitt zählte Maria Thenen die Namen von neun Personen auf, die kurz zuvor im Dorf verstorben waren. An einer Krankheit, die man als «Hirntifus» bezeichne. Die Betroffenen seien vier bis fünf Tage nach dem Ausbruch der Krankheit tot gewesen. Als Ursache für die Erkrankung zahlreicher weiterer Einwohner nannte Maria Thenen auch die herrschende Hitze.3

Ludwig Thenen, der Adressat des Briefes, kehrte 1912 ins Goms zurück. Allerdings wollte er dort nur während einer begrenzten Zeit bleiben, denn er spielte mit dem Gedanken, sich danach für immer in Amerika niederzulassen. Und ohne den Hilferuf der Schwester wäre er wohl in Kalifornien geblieben. Der Erste Weltkrieg, der auch für ihn Aktivdienstzeit bedeutete, vereitelte vorerst das Vorhaben. Er und Josef tauschten sich ab jetzt in einem regen Briefwechsel aus. (Erhalten geblieben sind nur Josefs Briefe und Ansichtskarten ins Wallis ab 1914.) Warum er auch später nicht mehr auswanderte, wird sich bald zeigen.

Wie schon der oben abgedruckte Brief zeigt, muss Josef Thenen jeweils lange auf Antwort aus dem Goms warten und bekommt so oft gar keine Antwort auf gestellte Fragen.4 Wie sehr ihn das stört, führt er im nächsten Brief vom 5. Januar 1915 aus. Wie er es gerne hätte, drückt er schon im ersten Satz aus: Habe Deinen Brief vom 12. Dezember 14 hier am 5. Ja[nuar] 15 erhalten, was mich gefreut hat. Und bekunde es damit, dass ich Dir sofort Antwort gebe. Er fährt fort: Ob du mein letzter Brief, wo ich Dir im November geschrieben [habe], erhalten hast, ist nicht bemerkt, und auch aus dem Schreiben kann ich es nicht ausfinden. Doch hoffe ich, er sei inzwischen an Deine Adresse gelangt.

Das ist kein kleinliches Mäkeln. Um erfolgreich zu kommunizieren, brauchen beide Seiten Reaktionen auf die jeweils gesendeten bzw. empfangenen Botschaften. Grundlegend dabei ist, dass der Erhalt eines Briefes quittiert wird. Geschieht dies nicht, ist es, wie wenn jemand in Watte hineinredet oder -schreibt. Kommunikationspsychologisch kommt das einer Entwertung gleich. Leicht resigniert klingt auch der weitere Brieftext:

Mit Postbriefen fragen und antworten, geht es verteufelt langsam von der Schweiz bis in Amerika. Bitte, wen Du mir schreibst, teile mir mit, wann Du mein letzter Brief und Nachricht erhalten hast, das ich weis, woran ich bin, und sehen kann, ob Du meine Fragen freiwillig oder unfreiwillig nicht beantwortest. Zu fragen und wieder zu fragen, das fällt mir zu schwer. Habe übrigens [das] Fragen aufgegeben, nehme und lese was Du schreibst mit Dank und wenn möglich [mit] schnelle[r] Antwort auf Deine Briefe.

Thenen selber reagiert auf den Inhalt des erhaltenen Briefes. Darin klagte Ludwig, dass er nächstens wieder ins Militär müsse, was ihn «verdienstlos» mache. Der Bruder versucht ihn mit dem Hinweis zu trösten, als Soldat brauche er ja kein Geld; er solle sich darum nicht zu sehr aufs Sparen konzentrieren; schliesslich kämen ja wieder bessere Zeiten. Aber er lässt es nicht bei Worten bewenden; er schreibt, er habe er Mutter 100 Franken geschickt, und weitere 100 Franken wären dazugekommen, wenn sein Brief und seine Karte beantwortet worden wären. Auch Ludwig wolle er in einem Briefumschlag ein paar Dollarnoten schicken; er sei ja auch im Militär gewesen mit keinem Geld; [er] kenne die Sache.

Ebenso bemerkenswert ist, was Thenen über Liebesbeziehungen schreibt. Ludwig soll während des Militärdienstes seinen «Darling» nicht vergessen, dass er dich auch nicht vergisst (...)

(...) Schöneres bietet Dir die Welt nicht, als ein Mädchen / das Du liebst und Dir Treue und Liebe gesteht. Aber auch nichts Härteres bietet Dir die Welt, als wenn ein Mädchen seine Liebe Dir entzieht. Das gibt Wunden und Schmerzen mit tiefen Narben, darum sei auf der Wacht. Kenne Deinen Schatz noch nicht, was ich Dir im letzten Briefe mitgeteilt habe. Wünsche es auch nicht zu wis­sen, wenn Du es mir nicht freiwillig bekennen darf[s]t.

Was es mit Thenens Arbeit resp. mit der Holzindustrie in Nordkalifornien und in Oregon auf sich hat, erläutere ich im folgenden Einschub:

Die Holzindustrie in Nordkalifornien und Oregon

Crescent City ist die nördlichste Küstenstadt Kaliforniens. Der Ort wurde 1851 von Goldsuchern gegründet und bekam später wegen der Holzindustrie wirtschaftliche Bedeutung. Heute zählt die Kleinstadt knapp 8000 Einwohner.

An der Pazifikküste Nordkaliforniens und Oregons gedeiht eine Baumart, die es von dieser Grösse sonst nirgendwo auf der Welt gibt, die Sequoia Sempervirens, des roten Kernholzes wegen «Redwood» genannt. Noch zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es in der Region eine schier unzählbare Menge dieser Küstenmammutbäume. Ab da begann die Abholzung im grossen Stil, nicht zuletzt, weil nun das Bewegen und die Verarbeitung der gefällten Stämme mit Maschinen (z.B. mit dampfbetriebenen Seilwinden) unterstützt werden konnte. In den schnell wachsenden Städten an der pazifischen Küste war Redwood begehrt. San Francisco wurde mit Redwood-Holz gebaut – nach dem grossen Brand von 1906 ein zweites Mal. Mit dem Holz eines einzelnen Baumes liessen sich ein halbes Dutzend Einfamilienhäuser bauen. Als Baustoff besonders geeignet ist es wegen seiner Qualität: Gegen Schädlinge und Nässe ist es immun; zudem lässt es sich leicht verarbeiten und verliert beim Trocknen kaum Volumen. Und nicht zuletzt ist es mit der rötlichen Färbung ästhetisch attraktiv. Die Bäume selber trotzen Stürmen ebenso wie Waldbränden.

Zum eigentlichen Feind der Mammutbäume wurde die Kettensäge. Ab den 1920er-Jahren begannen Idealisten, sich für den Schutz der Redwood-Wälder einzusetzen. Trotzdem waren um 1960 herum 90 Prozent gerodet. Nun entwickelte sich in Kalifornien eine Umweltbewegung, der es zu verdanken ist, dass der Kongress 1968 den Redwood-Nationalpark gründete. Bevor Präsident Jimmy Carter ein Gesetz zur Parkerweiterung unterzeichnete, versuchten die Holzkonzerne mit Bulldozer-Teams noch so viele Bäume wie möglich zu fällen. Auch die grössten und ältesten Exemplare waren gefährdet. Militante Umweltschutzgruppen nahmen nun den direkten Kampf auf. So besetzte etwa die Aktivistin Julia Hill einen Mammutbaum. Sie stieg erst 738 Tage später herunter, als die Holzfirma versprach, den Baum zu verschonen. Vom einstigen Bestand konnten vier Prozent gerettet werden. Einst standen in den Küstenwäldern Tausende Redwoods, die höher waren als 350 Fuss (rund 107 Meter). Von ihnen existieren noch 222. Seit 1997 sind sie zusätzlich durch eine ebenso einfache wie wirksame Regelung geschützt: Gross-Sägen, mit denen sich die mächtigen Stämme zu Balken und Brettern auftrennen lassen, sind nicht mehr erlaubt. Was heute aus den Küstenwäldern abtransportiert wird, sind Stämme jüngerer Bäume aus kontrollierten Einschlägen, die ständig neu aufgeforstet werden.

Im Sommer 2008 passierten mein Sohn Manuel und ich auf der Rad-Tour von Seattle nach San Diego die Redwood-Wälder Oregons und Nortdkaliforniens. Die Begegnung mit den Bäumen war eines der eindrücklichsten Erlebnisse auf unserer Reise. Ich füge hier Texte ein aus dem Reiseblog zum Stichwort «Sequoia Sempervirens, die grössten und ältesten Lebewesen der Erde»:

Seit Eureka fahren wir nicht mehr direkt an der Küste entlang. Geologisch instabiles Gebiet verhinderte einen durchgehenden Highway entlang der Küste (entsprechend heisst der Abschnitt «Lost Coast»). Dafür konnten wir bald auf die Avenue oft he Giants abbiegen, auf ein altes Teilstück der US 101, das sich durch die südlichen Redwood-Wälder schlängelt. Hier machten wir zahlreiche Stopps, um kurze Trails zu besonders sehenswerten Waldabschnitten zu begehen. Im Founders Grove gingen wir gar durch eine Art Redwood-Friedhof. Zahlreiche Bäume liegen umgestürzt übereinander. Darunter auch der Dyerville Giant. [...]

Dieser Baum im Humboldt Redwoods State Park wurde erst 1966 entdeckt und vermessen. Er galt fortan als mächtigster und ältester Mammutbaum. Als er am 25. März 1991 umstürzte, bekam man endgültig Klarheit über seine Grösse und sein Alter: Höhe: 113 m, Stammdurchmesser: 5.09 m, Alter: 1'600 Jahre. Die durch das Aufschlagen am Boden verursachte Erschütterung wurde in entfernten Siedlungen und Orten als Erdbeben wahrgenommen. Da das Holz kaum verrottet, bleiben die gefallenen Bäume während Jahrhunderten liegen. Das stellt an sich den Normalzustand eines Redwood Waldes dar. Die liegenden Riesen sind das Geburtsbett des sich erneuernden Waldes. Eine ihrer Spezialitäten ist das «Spawning»: Neue Bäume können sowohl aus den Samen als auch direkt aus dem Wurzelwerk eines gefallenen (abgebrochenen, gefällten) Baumes spriessen.
Das Fahren und Gehen zwischen ihnen ist wie der Besuch einer gotischen Kathedrale. Es herrschen ähnliche Lichtverhältnisse, dieselbe Stille und fast gleiche Temperatur wie dort.

[...]

Wir erleben zwar im Moment fast mediterranes Klima, aber übers Jahr gesehen sind Nebel und Luftfeuchtigkeit die idealen Voraussetzungen für die Redwoods. Hier führt die US 101 50 mi durch einen der beeindruckendsten Wälder der Erde.
Seit dem Ende der 1960er Jahre sind mehrere Naturschutzgebiete zum Redwood-Nationalpark zusammengefasst (Kompromiss zwischen Holzlobby und der Bundesregierung, die für die Parks hohe Preise bezahlen musste). Das Besondere ist das Aufeinandertreffen zweier Urlandschaften, dem Wald aus Mammutbäumen und dem Pazifik.
Die Bäume sind höher als manche Wolkenkratzer von San Francisco.

August 2008, Manuel Koller vor einem der geretteten uralten Riesen im Humboldt Redwoods State Park im südlichen Oregon.
August 2008, Manuel Koller vor einem der geretteten uralten Riesen im Humboldt Redwoods State Park im südlichen Oregon.

Aus den Wurzeln eines (ungefähr zu der Zeit, als die Brüder Thenen hier als Holzfäller arbeiteten) noch von Hand gefällten Küstenmammutbaums sind inzwischen stattliche neue Bäume herangewachsen.
Aus den Wurzeln eines (ungefähr zu der Zeit, als die Brüder Thenen hier als Holzfäller arbeiteten) noch von Hand gefällten Küstenmammutbaums sind inzwischen stattliche neue Bäume herangewachsen.

Die Welt der Redwoods führt zurück in die Urgeschichte des Planeten. Ihre Verwandten wuchsen schon im Myozän, was Versteinerungen aus fast allen Kontinenten belegen. Die Natur lehrt hier andere Massstäbe. Der Mensch ist in diesen Wäldern ein Winzling. Die üblichen Fragen nach Rekordhöhen, -dicken und -alter wirken absurd angesichts der Erhabenheit der Bäume. Jeder Schritt wird durch eine Jahrhunderte alte Humusschicht abgefedert. Der Nadelteppich verschluckt die Geräusche. Ähnliche Erfahrungen jenseits der Zivilisation macht man sonst nur in Wüsten. [...]

Warum die Bäume so hoch und so alt werden können, ist noch nicht restlos geklärt. Dass zum Beispiel die Kapillarkräfte das Wassers auf über 100 m Höhe hochsteigen lassen, stösst heute bei manchen Baumforschern auf Widerspruch. Mehr weiss man jedoch, was in den Baumwipfeln vor sich geht. Bis in die 1980er-Jahre wurden die Kronen der Bäume als Wüsten bezeichnet, man hielt sie für ökologisch tote Zonen. Die Förster meinten, die Bäume hätten aufgehört zu wachsen. Diese Meinung musste 1987 revidiert werden, als der Biologiestudent Steve Sillett in waghalsiger Kletterei bis in den Wipfel eines etwa 1000-jährigen Baumes stieg (ohne Sicherung notabene). Er stellte fest, dass die Spitzen tatsächlich absterben, dass sich daraus dann jedoch neue Kronen bilden, aussehend wie kleine Bäume. Deren Äste verschränken sich ineinander, wachsen zusammen und bilden Bögen, wie man sie aus gotischen Kathedralen kennt. Auf den Ästen entdeckte er uralte Farnmatten, die sich wie hängende Gärten ausnehmen. Später, er war inzwischen Professor für Redwood-Ökologie an der Humboldt State University, taten es ihm Kollegen und Studenten als Baumkletterer gleich. Was sie fanden, verblüffte erneut: Salamander, Heidelbeersträucher, Ruderfusskrebse (die an sich in Gewässern leben). Wie diese Flora und Fauna nach oben gelangt, weiss man noch nicht. Man geht davon aus, dass sich in den Biotopen der Kronen, die über die anderen Bäume hinausragen, Arten bilden, die nur da vorkommen. Wenn die Bäume gefällt werden, sterben auch sie.

Zurück zu Josef Thenen. Das folgende Bild hat er im Juni 1917 der Schwester und dem Bruder als Ansichtskarte geschickt.

Beim Fällen eines Mammutbaumes; rechts im Bild: Josef Thenen.
Beim Fällen eines Mammutbaumes; rechts im Bild: Josef Thenen.

Adressiert war es an Mrss. Marie Thenen / Ludwig – Münster Wallis – Switzerland – Europa. Dazu schrieb er:

Dein Brief erhalten. Besten Dank. Habe im Camp 12 aufgehört schaffen. Werde Ihnen nächstens eine Adresse zuschicken. Hoffe, Sie haben das Geld vom 22. März erhalten.

Auch werden Sie 500 Franken nächstens erhalten, wenn nicht schon. Hoffe auch, mein Geschenk habet erhalten. Später einen Brief. Beste Grüsse

Jos. Thenen

Auf dem Bild sieht man, wie die Bäume gefällt wurden. Ungefähr zwei Meter über Boden wurde mit Äxten und bis zu sieben Meter langen Sägen gearbeitet. Wie lange es dauerte, bis ein Baum fiel, darüber schreibt Thenen nichts, auch in keinem der Briefe.5 Dass er weder über die Bäume noch von der Arbeit des Fällens je ein Wort verliert, mag daran gelegen haben, dass sein Bruder ja dieselbe Arbeit getan und nach seiner Rückkehr davon erzählt hatte.

Dampfbetriebene Seilwinde (1913); rechts aussen Josef Thenen (Er schreibt dazu, er arbeite als «Leinenzieher».)
Dampfbetriebene Seilwinde (1913); rechts aussen Josef Thenen (Er schreibt dazu, er arbeite als «Leinenzieher».)

Zudem vermittelten die zahlreichen Fotos mehr, als es Texte hätten tun können.

Warum Ludwig im bereits kommentierten Brief vom 5. Januar 1915 dem Bruder zwar von der Liebschaft erzählt, aber auch auf Nachfrage den Namen nicht preisgegeben hat, erfährt Josef wenig später. Es ist Maria Werlen, die für ihn der Anlass war, Münster zu verlassen und als Arbeitsemigrant nach Amerika zu gehen. Im Brief vom 17. Januar blickt er zuerst zurück:

Weisst noch, als ich Abschied nahm in Santa Rosa von Dir, habe ich Dir den Auftrag gegeben, mir Maria Werlen zu grü­ssen und wen Sie mir nachfragt oder Interesse zeigt, eine Fotographi zu geben von denselben eine, wo ich Dir mitge­geben, um nach Hause zu nehmen. Auch solltest sie fragen, ob ich ihr nicht eine Karte oder ein Brief verspro­chen [habe], denn ich war mir in dem nicht bestimmt bewusst und es war mir wie ein Traum, denn beim Abschied von ihr war mir Kopf und Herz zu voll und wusste nicht, was ich sprach und hatte keinen Sin und wollte mich sicher stellen. [Ich] habe aber meinen Auftrag dem lätzen [falschen] gegeben, der hatte auch vergessen. Bin Dir aber nicht böse mehr, und eine Karte ist heute auch an die Adresse von Maria gelangt oder zum Versand gekommen

Obwohl der Schmerz darüber, dass er seinerzeit von Maria Werlen abgewiesen wurde, noch immer gross ist, hat er ihr persönlich eine Karte geschrieben. Im Brief heisst es weiter:

Verzeihe Dir aber und wünsche Dir Glück. Hoffe sie schreibe Dir Treue und schütte Dich nicht ab wie mich. Es ist ein gutes Mädchen, macht eine gute Frau, beobachtet habe ich sie lange genug. Wie ich aber sehe, sitzest Du fest im Sattel und [sie] zeigt Dir ein warmes und liebendes Herz, was ein Mann, der Gefühle hat gewiss glücklich macht. Habe mich seit meiner frühsten Jugend nach einem lieben und vertrauendem Herzen gesehnt; bis da war ich nur an Eisklumpen gewant [gewohnt]. Vieleicht ist mir das Glück später beschieden. (...)

Schreibe mir bald wieder, zeige mir ein offenes Herz, wo ein wenig Liebe darin ist. Ich habe Hunger nach Liebe, aber nicht nach Geld und Gut. Wenn ich gesund bin / kann ich mir Geld verschaffen; auch Achtung kann ich den Leuten abringen mit meinem Fleisse und Können und Arbeiten. Aber Liebe nicht, die muss man geben können oder als Geschenk empfangen, die lässt sich nicht kaufen.

Der Mann, der als Holzfäller einer ausgesprochen strengen und groben Arbeit nachgeht, findet feinfühlige Worte zum Thema, das seinen Bruder im Glück und ihn selber in der schmerzvollen Erinnerung zeigt. Auch zwei Monate später rumort es in ihm noch, aber er stellt sachlich fest, dass Maria Werlen für Ludwig viel und mehr übrig hat als je für ihn. Es habe wohl Augenblicke gegeben, wo er ihr nicht ganz gleichgültig gewesen sei. Dass sie mir aber ernste, tiefe Liebe gezeigt und für mich übrig hatte, nein, das kann ich nicht sagen und weiss nichts davon. Er gönne sie ihm und wünsche ihnen beiden Glück. Vorwürfe macht er dem Bruder keine, böse sei er ihm aber, dass er ihr seine Grüsse nicht übermittelt habe und so ihm auch keine «Gegengrüsse» bestelle. Und er kommt auf die Fotografien zurück, von denen je eine auch für Maria Werlen sowie für Maria Nessier (falls sie Interesse an ihm zeige) bestimmt waren Das seien die zwei Mädchen / für die ich etwas übrig habe und mit denen ich am meisten Verkehr und Gesellschaft gehabt habe. Seither warte er vergeblich auf Antwort. – Der Ärger über den Bruder hat noch andere Gründe. Als Ludwig damals nach Amerika reiste, setzte Josef in Münster die Arbeit am neuen Haus fort und stellte es zumindest im Rohbau fertig. Nach Ludwigs Rückkehr ins Wallis erwartete er von ihm dazu zumindest eine Stellungnahme. Aber: Auch wegen dem neuen Hause solltest mir Bescheid schreiben, wie es Dir gefalle. Habe erst Bescheid bekommen, als ich Dich zweimahl darin erinnern musste, wie Dir meine Arbeit gefallen habe, worauf Du mir Dein vollest [!] Kompliment machtest und [mich] einfach als Pfuscher hin­stelltest. Das hat ihn auch darum tief verletzt, weil Ludwig, wie man später erfährt, den Bau nicht mitfinanziert hat. Die Missstimmung hat aber auch damit zu tun, dass auf Ludwig wenig Verlass ist, wenn Josef ihn um kleine Dienstleistungen bittet. Darum fügt er an, wenn er ihn weiterhin im Stich lasse, wolle er auf Briefe an ihn verzichten. Aber: Dass ich ihr [Maria Werlen] etwas Beleidig[end]es oder im Bösen schreibe oder sie kränken sollte, kannst vol­kommen ruhig sein. Ich habe dazu noch andere Empfindungen, als sie zu beleidigen und böse zu sein.

Gebe diesen Brief niemand zu lesen ausser Deinem Schatz, wenn Du willst und vor ihr keine Geheimnise [!] hast, sonst niemand, verstehst Du.

In den weiteren Briefen aus dem Jahr 1915 finden die beiden wieder zu einem brüderlichen Ton. Zuvor hat Ludwig ebenfalls «böse Worte» nach Kalifornien geschrieben. Josef reflektiert darüber und schreibt schliesslich: Ich stecke alles in einen Sack, schüttle es und alles ist wieder gut. Dass er sich vom Bruder nicht abwenden will, zeigt sich auch darin, dass er nicht nur der Mutter regelmässig Geld schickt, sondern den Briefen an ihn 5-Dollar-Scheine beilegt. Die Mutter erhält grössere Summen; die Dollar-Noten sollen Ludwig während der Aktivdienstzeit neben dem Sold als Taschengeld dienen. Dabei kriselt es während des Kriegs auch in der Westküsten-Holzbranche. Das «Wood Bisnis» sei auf einer schlechten Stufe, heisst es in einem Brief. Sie könnten täglich nur noch acht statt zehn Stunden arbeiten und verdienten so kaum mehr das Kostgeld. Im November 1915 atmet Josef jedoch auf; da er für einen Monat den vollen Lohn bekommen habe, könne er Ludwig wieder die gewohnten fünf Dollar schicken. Eventuell könne er etwas davon für ein Weihnachtsgeschenk an die Mutter brauchen.

1912
1912
Gruppenbild aus dem Camp 3. Im Text dazu steht u.a.: Hier ist eine Karte mit der Cruh [!] wo ich Habe oder Schaffe. (...) Thenen selbst ist der 7. von links (sitzend).

Im Jahr 1916 schreibt Thenen seinem Bruder nur zwei Briefe. Der erste vom März kommt aus dem Camp 3. Neben dem Bau einer Eisenbahnlinie zum Hafen sei seit langem auch eine ins Camp in Arbeit, aber wie es scheine, habe man da ein Ewigkeitswerk an die Hand genommen; es komme überhaupt nicht voran. Dem Brief liegt ein Gruppenfoto bei (ein anderes als das oben gezeigte). Von den einzelnen Leuten, deren Namen Josef nennt, kennt Ludwig anscheinend die meisten. Josef Thenen arbeitete zu diesem Zeitpunkt schon das sechste Jahr als Holzfäller, sowohl in Camps in der Nähe von Crescent City als auch in Brookings in Oregon. In der Absicht, mittelfristig aus der Holzerei auszusteigen, hat er sich ein Stück Land gekauft. Aber nach wie vor ist er unschlüssig, ob er in Amerika bleiben oder ins Wallis zurückkehren soll. Er schreibt denn auch, wenn er die Heimat vergessen könnte, ginge er als Farmer auf sein Land. Sein Hauptproblem: Ohne Frauen Hände kann ich nicht farmen. Darum wird ab jetzt die Suche nach einer Lebenspartnerin in den Briefen zum dominanten Thema. Im hier besprochenen Text kommt es – fast verschämt – in einem Nachsatz zur Sprache:

Werde nächstens 100 Franken heimschicken. Falls Du im Militär bist oder nächstens wieder ge­hest, gib mir Bescheid; [dann] schicke ich Dir ein kleiner $ 5 Lappen für Taschengeld. Bist Du zu Hause, grüsse Mutter, Schwester und ein paar andere Ledis [Ladies] oder heiratsfähige Mädchen von mir.

Ob die Ankündigung einer Geldüberweisung absichtlich in diesem Kontext steht, sei dahingestellt. In der Folge werden die Anfragen und Bitten drängender. Am 12. Dezember 1917 kommt er schon nach dem 2. Satz (mit den guten Wünschen fürs neue Jahr) zum Thema:

Wie ich sehe, verleidet es welchen in Münster auch. Nimmt mich nicht wunder: immer Schnee im Winter; [es] ist mir auch verleidet, wieder heim zu kommen. Sollten welche auf das Frühjahr nach Amerika auswandern, bitte, schicke mir eine Magd mit, zahle 40 Dollar im Monat. Schicke mir eine junge, eine solche, der nicht bange ist, in den Stall zu gehen. Eine Frau schickst Du mir doch nicht, (...). So macht [es] nicht[s] aus, was für eine, solange sie [nur] gut und gesunt ist. Wie Du mir geschrieben hast und auch Mutter, soll sich Josepha Lagger geäusert haben, sie warte auf mich. Kannst sie fragen, ob sie herkommen wolle. Wenn nicht sie, [dann] eine andere, gleich welche. Du schikest mir oder fragst für eine Magd, ich mache sie dann hier zur Frau, [weil] den Werber für mich wilst [Du] doch nicht ma­chen. Gebe mir in dieser Hinsicht sobald wie möglich Antwort. (...)

Nach eineinhalb Jahren ohne Briefkontakt mit Ludwig (über die Ursachen später) beendet er ein an Mutter, Bruder und Schwester adressiertes Schreiben mit dem Satz: Grüssen Sie Albert Bacher und Maria zurück. Der Maria können Sie sagen, sie solle hieherkommen; (...) Drei Vierteljahre später, am 13. März 1920, schreibt er:

Habe meiner Mutter zweimal geschrieben; die wollte meine Bitte nicht erfüllen. Hoffe, Josepha Lagger werde kommen. [Ich] habe ihr geschrieben und sie selbst auch gefragt. Was folgt, weiss ich noch nicht, da muß ich erst abwarten; der Anfang ist aber gemacht. Hoffe aber das beste. Was sagst Du, macht es5 eine gute Frau für mich. Streng zu arbeiten braucht sie hir nicht; hat also nicht[s] zu bedeuten, wenn sie etwas klein ist, und wenn wir wieder heim kommen, so erwarte ich, habe ich so viel Geld, dass ich ohne zu arbeiten das Le­ben machen kann.

Als ich noch daheim war, konnte ich das Mädchen gut leiden und habe es oft geneckt und geär­gert. Wenn ich aber zu steil kam, hat sie mich immer fortgeschickt; die erste Zeit hat sie mich zu Dir gewiesen, später zu M[aria] Nessier. Wenn ich dieses Mal auch nicht recht komme, [so] weiss ich nicht, wo[hin] sie mich schickt. Hoffe aber, ich erhalte kein Korb.

Auch die Mutter hat er gebeten, sich für ihn nach einer Lebenspartnerin umzusehen. Vergeblich. Der Brief hier ist an Maria Thenen-Werlen gerichtet; sie ist seit Ostern 1917 seine Schwägerin! Auch an den Bruder geht im September des gleichen Jahres ein Schreiben mit der ähnlichen Hauptbotschaft. Ludwig trägt sich mit dem Gedanken, mit seiner Frau nach Kalifornien auszuwandern. (Sein erster Aufenthalt in Kalifornien war eine zeitlich begrenzte Arbeitsmigration.) Josef will ihm die Hälfte der Farm abtreten, knüpft an das Angebot indessen einen Auftrag: Wenn Du aber kommst, eine Frau musst Du für mich mitbringen. Das ist die ein­zige Bedingung, wo ich mache. Bist Du willig, lass mich Näheres wissen.

Auf weitere Briefstellen zum Thema gehe ich später ein. Die bisherigen Zitate zeigen, wie verzweifelt Josef Thenen nach einer Frau sucht. Was er dem Bruder, der Schwägerin und der Mutter nach Münster sendet, sind Hilferufe. Dabei kommt ein Name immer wieder vor: Josefa Lagger. Zu ihr hat er auch brieflichen Kontakt. Inhaltlich ist nur bekannt, was er in einem Brief an die Schwägerin andeutet. Zweifellos hat auch sie Sympathien für ihn, sonst hätte sie kaum geäussert, sie warte auf ihn. Vor der Reise ins fremde Land schreckt sie jedoch zurück. Zu Josefa Lagger verspürt Josef Thenen auch deshalb emotionale Nähe, weil er mit ihr von Jugend auf vertraut ist. Liebe ist es kaum. Die Hoffnung, dass sie sich endlich doch zur Reise entschliesst, verliert er zwar nicht, aber inzwischen wäre ihm jede Frau recht. Hauptsache, sie spricht deutsch.

Wie gut sich Thenen nach einem halben Dutzend Jahren in Amerika auf Englisch verständigen kann, lässt sich nicht beurteilen. Immerhin ist er in der Lage, Landkäufe und -verkäufe abzuwickeln. Seit er als Holzer arbeitet, bewegt er sich ausschliesslich unter Männern, von denen einige Schweizerdeutsch sprechen. Er muss sich wohl nur selten auf Englisch ausdrücken. Einmal schreibt er, Del Norte, wo sein Land liegt, sei noch abgelegener von der Welt und harter hinzukommen als in das Goms; dass es von dem Tosen der Welt noch weniger fühlt als Münster. Für die Camps in den Redwood-Wäldern trifft das ebenfalls zu. Kurz: Josef Thenen hat kaum Gelegenheiten, in Kalifornien oder in Oregon mit Frauen in Kontakt zu kommen. Und da sein Kommunikationsbedürfnis erklärtermassen gross ist, sehnt er sich nach einer Partnerin, die seine Sprache spricht, vorzugsweise Walliserdeutsch. Gegenüber der Schwägerin spricht er das explizit aus. Er hätte in seiner unmittelbaren Nähe gerne eine Person, mit der er «offen sprechen», mit ihr auch mal «zanken», ja, sie sogar «ärgern» könne. Ihm fehlt ein Gegenüber und damit die Möglichkeit echter Auseinandersetzung. Ohne Lebenspartnerin ist er auf seiner Ranch auf sich selbst zurückgeworfen. Wenn er vom Bedürfnis schreibt, die Person auch mal «ärgern» zu können, zeugt das vom Bedürfnis, mit jemandem scherzen zu können. Damals in Münster neckte er nicht nur Josefa, sondern auch andere junge Frauen. Das drückt er auch aus, wenn er (mehr als einmal) bedauert, die Fastnacht in Münster zu verpassen. Er sehnt sich nach Geselligkeit mit einer Frau.

Man kann davon ausgehen, dass Josef Thenen, würde er noch in Münster leben, längst verheiratet wäre. Nicht nur zeigen die Fotos einen attraktiven Mann, er ist auch tüchtig. Das lassen nicht nur die Ausführungen über den Lohn und die ihm anvertrauten Positionen (u.a. erster Maschinist) erkennen, auch seine Ersparnisse belegen das. Wie bereits dargelegt, erlaubten sie es ihm 1916, ein ordentliches Stück Land zu erwerben – immerhin 170 acres resp. 69 Hektaren. Er kaufte es, obwohl es für ihn zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss war, welche der beiden Sehnsüchte grösser grösser sein würde, ins Wallis zurückzukehren oder sich als Farmer zu etablieren.

Spätestens im Dezember 1917 wird er Farmer im Nebenerwerb. Nach dem Kauf des Landes hat er Schulden. Sobald er sie bezahlt hat oder spätestens dann, wenn sein «Mädchen oder Braut» bei ihm ist, will er sich ganz von der Holzerei verabschieden.

Im Juli 1919 berichtet er stolz, was er an Beeren und Früchten (v.a. Kirschen) geerntet und wie viel davon er eingemacht hat: Alles zusammen drei Dutzend Gläser. Er besitzt auch Kühe. Die Milch verarbeitet er zu Butter und Käse. Im September im Jahr darauf verkauft er die Farm für 500 Dollar, 25 Dollar unter dem Einstandspreis. Er erwirbt jedoch sieben oder acht Meilen von Crescent City entfernt eine andere Ranch von gleicher Grösse. Wiederum schreibt er dem Bruder, er würde ihm die Hälfte davon umsonst überlassen, wenn er und seine Frau ebenfalls nach Kalifornien kämen. Den Wunsch nach Geld für einen Kaminbau könne er allerdings nicht erfüllen stecke er nach dem Landkauf doch selber mit 3'000 $ «im Loch». Erstaunlicherweise glaubt er, schon bis zum Herbst des gleichen Jahres die Schulden tilgen zu können. Nach wie vor arbeitet er die meiste Zeit «im Holz». Im Unterschied zu 1917 verdient er inzwischen pro Tag 8.10 $ gegenüber den früheren 5 $. Er schreibt denn auch von einem (vermutlich pro Monat) ausbezahlten Lohn von beinahe 190 $. Das entsprach nahezu tausend Schweizer Franken, ein Mehrfaches von dem, was er in der Schweiz verdienen könnte. (Dabei sind von diesem Betrag die Essens- und Unterkunftskosten bereits abgezogen.)

Die enorme Arbeitsleistung hat ihren gesundheitlichen Preis. In den Briefen steht zwar öfters, er sein gesund, er erleidet jedoch einige Arbeitsunfälle. So 1918, als er mehrere Rippen bricht und auch unter einem Bluterguss am Fuss leidet. Zudem laboriert er am Knie an einem Furunkel. An diesen sog. «Eissen» leider er öfters; sie sind das physische Hauptübel. Im Brief vom Juli 1919 äussert er sich überaus deutlich: Einmal 17 Tage im Mai hatte ich wieder ein Eisse im Arsch, konnte nicht gehen und nicht sitzen, bin für eine ganze Woche auf dem Bett gelegen im Cäben [Camp]. Ein Tag mussten sie mir zu Essen bringen bis ins Bett, so machte mich der Eisse krank. Sobald es wieder halbwegs gegangen sei, habe er sich an die Arbeit zurückbegeben. [Ich] habe jetzt noch 2 kleine Eissen am rechten Knie; [die] sind aber nicht so schlimm, wenn nicht etwas Apartes dazukommt. Hoffe aber, dass ich etwas besser Glück habe in der Gesundheit. (...) Dann im Herbst 1920 quetscht er sich mit der Holzzange einen Finger, der, als er davon berichtet, schon geschwärzt sei. Jetzt schaffe [er] mit einer Hand; geht auch, aber ein Bisschen härter.

Auseinandersetzungen

Über die Jahre gesehen, verläuft der Briefwechsel zwischen Josef und Ludwig Thenen in brüderlichem Ton. Kurzzeitige Missstimmung kommt dann auf, wenn Josef dem Ärger über das lange Ausbleiben von Antwortbriefen Ausdruck gibt. Ende 1916 wird die Aufteilung des Vatererbes zum Thema. Jedenfalls fragt Josef, welche Meinung der Bruder dazu habe. Er will vermeiden, dass die Mutter bei der Teilung zu kurz kommt. Wenn sie «gesetzliche Ansprüche» geltend mache, sei das ihr volles Recht. Er frage sich allerdings, was man dann noch teilen wolle. Josef will wissen, wie es um den Viehstand steht und – seine Hauptsorge – wie viel Schulden die Familie hat. Das klingt noch vage, aber schon wenige Monate später (März 1917) schreibt er, wie er sich die Teilung wünscht. Die Mutter solle alles nehmen, was ihr gehört und was sie wintern kann. (Das Letzte meint vermutlich die Ackerfrüchte, die sie den Winter über einlagern kann, und das Heu.) Die Häuser sollen ungeteilt bleiben. Mutter bewohnt eins, Du eins und Schwester eins, somit habt [ihr] alle eine Wohnung. Stall und Stadel könnten sie vor­läufig zu zwei Teile teilen, wie sie6 es für gut finden. Das Gut, Wiesen und Äcker, was vom Vater ist, teilen sie zu dritt, wo ich für mich meine Mut­ter bestelle, damit Sie mit dem Waisen[amt]7 nicht in Konflikt kommen. Anderes solle man der Mutter überlassen. Einzig sein Handwerkszeug nimmt er «in Anspruch». Du sollst es mir aufheben, bis ich wieder komme. Wichtig ist ihm zudem, dass die Hälfte des Vorrats an Brettern der Mutter und der Rest unter alle drei (er nicht mitgemeint) verteilt wird. Sie sollen an einem trockenen Ort aufbewahrt werden. Wenn er heimkomme und schreinern wolle, brauche er den Brettervorrat.

Wenn ich seine Ausführungen richtig verstehe, beansprucht er abgesehen vom Land, seinem Werkzeug und dem Holz keinen Anteil am Erbe. Vermutlich wird er erst beim Ableben der Mutter das ihm Zustehende, insbesondere das von ihm gebaute Haus sowie den Vorrat an Brettern übernehmen. Den Viehbestand, der nicht an die Mutter geht, schätzt er bezüglich seines Wertes so ein, dass mit dem Verkauf mindestens die Schulden bezahlt werden können. Sollte für mich was übrig sein, lege es auf die Bank oder gib es der Mutter. Das ist meine Meinung. Was mein Teil Gut ist, kannst Du und Schwester um den Zins nehmen: 80 Rappen das Hundert [!]. Der Betrag geben Sie der Mutter am Herbst. Ihm ist wichtig, dass vor Ludwigs Heirat die Schulden in Münster getilgt sind.

Als dieser ins Wallis zurückkehrte, liess er einen Betrag von 100 Dollar in Kalifornien zurück. Josef hat ihm davon 50 $ geschickt und will ihm nun den Restbetrag, samt Zins von 40 $, überweisen. (Die 90 $ entsprechen etwas mehr als 500 Franken.) Dass Ludwig weder bestätigt, dass er das Geld erhalten hat, noch über den Wert des Viehbestandes und die Tilgung der Schulden Angaben macht, stösst Josef sauer auf . Er macht seinem Unmut im Brief vom 10. Juli 1917 Luft:

Schon einige Mal habe ich gefragt [irgend]welche Sa­chen, da hast Du kein Atem gezogen und gar kein Bescheid geschrieben. Briefe wohl, aber nicht, was ich wissen will und möchte. Wie viele Schulden sind noch? Was hat das Vieh für ein Wert, wo wir haben, als Du geheiratet hast? Ver­stehe, das muss ich wissen. Wirst wohl nicht der Mutter Schulden aufhalsen; denn ich will wissen, was ich zu be­zahlen habe. Ich will nicht, dass wenn ich wieder heimkomme, mir jemand sagen kann, euere [Familie] oder Du sind mir noch schuldig. Regle die Sache; bist wohl Mann genug dafür und gib mir Bescheid. Ich will nicht, dass mir Mutter Rechnung abgibt; die ist zu alt. Auch will ich nicht, dass Mutter zu kurz kommt; ich will von Mutter vorläufig nichts, auch nicht von Dir und [der] Schwester, aber ich will genau ver­nehmen. Auch vergesse Mutter nicht; die hat lange genug gesorgt für uns. Jetzt ist es gut, dass wir für sie etwas tun.

Der Tonfall verschärft sich in der Folge – offenbar auch von Ludwigs Seite. Dabei scheint die Erbteilung an sich gar nicht Anlass zu Streit zu sein. Josef stellt ja für sich selbst kaum Ansprüche; er verteidigt stattdessen diejenigen der Mutter. Und er verlangt klare Informationen über den Wert des Viehs und über die Rückzahlung der Schulden. Spielt hier – bewusst oder unbewusst – die Tatsache mit hinein, dass der Bruder seit wenigen Monaten mit der Frau verheiratet ist, die Josef wie keine andere geliebt hat und wahrscheinlich noch immer liebt? Im Brief vom November 16 hat er noch überschwänglich geschrieben, er werde Maria Werlen ein Geschenk machen, worauf sie stolz sein kann und kein zweites so bekommt. Von dieser Haltung ist im Hochzeitsjahr jedenfalls nichts mehr zu vernehmen. Josef weist einzig noch darauf hin, vom überwiesenen Geld seien 20 Dollar als Hochzeitsgeschenk (offenbar für beide) gedacht.

Was Ludwig angeht, so hat es diesen anscheinend geärgert, dass der Bruder nach der Höhe der Schulden gefragt hat. Der entschuldigt sich im November denn auch dafür, ihn derart «angefahren» zu haben. Im gleichen Atemzug rechtfertigt er sich jedoch:

Was mit den Schulden war, glaube ich, war mein gutes Recht, nachzufragen und zwar bei Dir und nicht bei Mutter. Muss Dir auch sagen, als ich in Amerika ging, hatten wir zirka 400 Fran­ken Schulden, ungefähr gleich [viel], als Du die Heimat verlasen hast; also ich habe auch nicht Schulden gemacht, als Du in Amerika warst. An Gut und Wiesen war nichts zurück gegangen und das Haus hat ein Wert von wenigstens 8000 [Fr.]. Und wieviel hast du daran bezahlt?

Hier wird die Ursache von Josefs Unmut sichtbar. Er hat in der Zeit, als er in Münster am Haus baute und Ludwig schon in Kalifornien war, weder die Familienschulden vergrössert noch den Land- und Gebäudebesitz verkleinert. Im Gegenteil, das neue Haus bedeutet einen Zuwachs an Familienbesitz. Es ist Resultat von Josefs Arbeit. Nach der Rückkehr ins Wallis scheint Ludwig für den weiteren Ausbau des Hauses Geld ausgegeben zu haben, was er gegenüber dem Bruder ins Feld führt. Dieser antwortet: Schicke mir die Rechnung, und ich bezahle dir den letzten Rappen zurück; dafür nehme ich das Haus. Und er wirft ihm auch vor, dass er es sei, der die Mutter finanziell unterstütze (mit inzwischen bereits über 3'000 Franken). Davon verlange er keinen Rappen zurück. Er wirft dem Bruder implizit vor, die Mutter finanziell hängen zu lassen. Deshalb fühlt er sich ausgenützt. Ich war vielleicht ein Narr, dass ich am neuen Haus so geschafft habe, Tag und Nacht. Davon habe er nun gar nichts, denn wenn ich wieder nach Hause komme, kann ich vielleicht in das Scheisshaus wohnen gehen, wenn ich die Mutter nicht verdrängen will.

Die Verstimmung zwischen den Brüdern ist beträchtlich. Immerhin dürfte Ludwigs Brief, geschrieben am 3. November, die Differenzen verringert haben; Josef gibt sich in der Antwort vom 12. Dezember versöhnlicher. Er wünscht Glück fürs neue Jahr, Zufriedenheit und Geduld. Was seine Farm betreffe, so habe er den Viehbestand leicht vergrössert. Auch ein Pferd habe er gekauft. Bezüglich Schulden übertreffe er Ludwig, aber die Hälfte der 3'500 Dollar, die er nach dem Kauf der Farm «auf dem Buckel» hatte, seien «abgeschafft». Er habe neben Vieh auch Haushaltungsgegenstände, «Felt[in]strumente» und vieles andere kaufen müssen. Weil er zudem eine neue Wasserleitung brauche und es in Haus und Stall einiges zu reparieren gebe, könne er im Moment kein Geld erübrigen. Darum solle Ludwig alles aufschreiben, was er fürs neue Haus ausgebe. Wenn er zurückkehre, oder sobald er gut bei Kasse sei, werde er ihm die Unkosten vergüten. – Kein Wort über den zurückliegenden Streit. Gleichwohl bekommen Bruder und Schwägerin erst im Juli 1919 wieder briefliche Nachrichten aus Crescent City.

Aber am 12. Dezember 17 hat Josef einen zweiten Brief geschrieben, nämlich an die Schwägerin. Dass er mit dem Bruder und ihr nicht über denselben Brief kommuniziert, ist bemerkenswert, der Inhalt des separaten Textes an sie ist es nicht minder. Ich gebe das Schreiben hier ungekürzt wieder:

Brookings, Oregon, 12. Dezember 1917 Camp 2.

Beste Schwägerin!

Auch ein paar Zeilen für Dich fileicht, aber etwas ist besser als gar nichts. [Ich] habe vom Ludwig einen Brief erhalten, aber von Dir war wenig oder gar nichts darin. Bist ihm schon verleidet oder er Dir? Was macht der Junge oder hast schon mehrere? Wennt eine Tochter hast, kannst sie aufheben aber schnell. Habe mein Lebtag nie, nie solches Bedürfnis nach dem zarten Geschlecht wie gerade jetzt. Hosen und Strümpfe sind zerissen, im Hut sind Löcher, am Hemd keine Knöpfe, Schnupftücher alle schmutzig; Haar verzaust und Schnurbart verzotelt. O, es geht Berg ab mit mir, wenn nicht bald Hilfe kommt. Weisst Du Rat oder kannst Du mir Hilfe schiken. Das Bett habe ich drei Monat nicht mehr gemacht, freilich sind's nur zwei Decken und ein Matratze. So wie man am Morgen rauskommt, geht man am Abend wieder rein. Aber macht ja nichts, gefält mir gar nicht so schlecht. Vorläufig bin ich nur ein Holzknecht.

Von 6 Uhr abends weg habe ich nicht zu schaffen, das heisst, für andere oder die Com­pan[gnie]. Dann muss ich mich selbst pflegen und verbinden. Habe nämlich immer Eissen oder Kar­funkel und wenn Du weisst, was das ist, so weisst Du auch, was das Schmerzen und Arbeit macht. Ich glaube, das ist wüster als bei einer Frau die Entbindung. Der erst[e] Eiss hatte ich ein Jahr zurück zu Weinachten und seither kommt einer nach dem andern wie die Buben aus der Schule. Wenn ich seither nicht 100 gehabt habe, so sage ich kein einziger zuviel; welche [sind] so gross wie eine Kaffetasse, natür­lich welche auch kleiner so wie ein Fingerhut oder noch kleiner, so ungefähr wie Erbsen. Ungefähr hast eine Be­schreibung, was ein Eiss ist. Selbst hast doch keine, da Du eine Frau bist. Der Doktor hat gesagt, ich solle das Klima und das Es­sen tauschen. Muss somit um einen anderen Koch schauen. [Du] könntest mir vielleicht zu einem verhelfen oder wenigstens ein[en] Wink geben. Dank zum voraus; nicht für ungut.

Beste Grüsse zum Neuen Jahr.

Beste Grüsse zum Neuen Jahr an Deinen Vater und Geschwister

Jos. Thenen,

Ob er mit dem Schreiben Mitleid erwecken will? Der Brief vermittelt ein Bild der Verwahrlosung. Es ist anzunehmen, dass nicht nur die ehemals Angebetete über den Inhalt erschrickt, sondern dass auch eine potenzielle Lebenspartnerin bei der Lektüre erschrecken würde. Dass er sich direkt an Maria wendet, liegt wohl zur Hauptsache daran, dass der Bruder ihn über sie im Ungewissen lässt. Das tut dieser vermutlich aus guten Gründen. Ich gehe davon aus, dass er emotionalen Abstand zwischen ihm und seiner Frau herbeiführen will. Josef unterläuft das mit seinem Brief; er nimmt sich die Freiheit heraus, ihr sein Elend zu schildern, so, wie er es dem Bruder gegenüber nicht tun könnte. Dieser ‘Vertrauensbeweis’ ihr gegenüber dürfte für sie auch belastend sein.

Die provokative Frage, ob sie Ludwig schon verleidet sei oder umgekehrt, zeigt eine irritierende Distanzlosigkeit. Das mag Folge der langen Verstimmung resp. der gestörten Kommunikation zwischen den Brüdern und damit der emotionalen Vereinsamung von Josef sein. Ob und wie Maria Thenen-Werlen darauf reagiert hat, weiss ich nicht. Es gibt in späteren Briefen keinerlei Bezug darauf. Der Text bleibt, verglichen mit Thenens sonstiger Korrespondenz, singulär.

Die Vertrautheit ist zurück

Wie erwähnt, schreibt Josef Thenen ab November 1917 während eineinhalb Jahren keine Briefe an den Bruder und an die Schwägerin. An 13. Juli 1919 nimmt der die Korrespondenz wieder auf, mit den zwei Briefen, von denen schon die Rede war. Es sind wieder in familiärem Ton gehaltene Antworten. Man hat ihm auch Grüsse von Albert und Maria Bacher übermittelt. Darauf reagiert er in scherzhaftem Ton: Der Maria können Sie sagen, sie solle hieherkommen; ich wolle es ein wenig necken, wenn es ein wenig Zeit hat. Das Hauptthema ist die Fastnacht, an die seine Schwester anscheinend schlechte Erfahrungen gemacht hat. Thenen schreibt: Tut mir auch leid, dass es Dir so traurig gegangen ist. Was ich Dir raten kann: suche einen Schatz, der Dir wenigstens etwas zu schwatzen weiss. Im übernächsten Satz wechselt er überraschend von der du- in die unpersönliche sie-Form: Wie die Schwester gefasnachtet hat [die] letzten drei Jahre, weiss ich noch heute nicht. [Ich] glaube, sie geht bald ins Kloster, (...) Der Kontext zeigt, dass sie genauso wie er selber (noch) unverheiratet ist. Dies und die Verstimmung nach der Fastnacht führt Josef auf ihr Sozialverhalten zurück. Dorffeste, die ihm persönlich so sehr fehlen, nützt sie seiner Meinung nach weder für ausgelassene Fröhlichkeit, noch gelingt es ihr, dort Beziehungen zu knüpfen. Aber da steht noch ein Satz dazwischen – Mädchen giebts immer, die sich leicht fangen lassen –; ohne Zusammenhang müsste er als eine an einen Mann gerichtete herablassende Äusserung über Frauen gelesen werden. Hier bedeutet er vermutlich, dass Maria Thenen bezüglich Männerbekanntschaften so zögerlich ist, so dass ihr gleichaltrige oder jüngere Frauen bei den Männern im Heiratsalter den Rang ablaufen.

Im März 1920 wendet sich Josef Thenen mit grosser Freude an die Schwägerin. Er könne es mit Worten gar nicht ausdrücken, wie dankbar er ihr sei. Da er anschliessend wieder auf Josefa Lagger zu sprechen kommt (er habe ihr nun auch geschrieben), dürfte das bedeuten, dass sich die Schwägerin bei Josefs Hoffnungsträgerin für ihn eingesetzt hat. Nur so lässt sich die fast intime Frage verstehen: Was sagst Du, macht es [!] eine gute Frau für mich. Es mache auch nichts, dass sie etwas klein sei, denn streng zu arbeiten brauche sie bei ihm nicht. Jedenfalls schöpft er Hoffnung, sie nun doch noch als Lebenspartnerin zu gewinnen. Im Verlaufe des Jahres entwickelt sich die Sache dann jedoch nicht wie erhofft. Im Brief an den Bruder vom Oktober äussert er sich vorerst über das höhere Einkommen; noch in diesem Monat könne er die Schulden zurückzahlen und auch wieder Geld sparen. Auch habe er sich, da er nun bereits im elften Jahr hier sei, zum zweiten Mal eine neue Kleidung [einen Anzug] erlaubt. Er trug sich sogar mit dem Gedanken, eine Reise ins Wallis zu machen, nimmt aber davon Abstand, weil ihm die Reisekosten von 3'500 Franken zu hoch sind. Was Josefa Lagger angeht, so solle Ludwig sie fragen, ob sie sich der Gruppe der Auswanderer anschliessen wolle. Viel verspricht er sich davon nicht, zählt er doch im gleichen Atemzug die Namen von fünf Frauen aus Münster auf, die er sich als Partnerinnen vorstellen könne. Ludwig solle mit ihnen Fühlung aufnehmen. Auch die weiteren Ausführungen sind bemerkenswert:

(...) Wie ärmer geboren, um so besser; die reicheren sind schon stolzer und man muss sich schon mehr beugen, um [es] ihnen recht zu machen. Wäre froh wenn ich von Münster eine herbekommen könnte. Wenn ich bis zum Frühjahr keine von Münster habe und Friede in Deutschland gemacht ist, so lasse ich eine von Deutschland kommen. Sollte irgend ein Mädchen nach Amerika verreisen, das Dir bekannt ist, oder bestimmt weißt, dass welche hierher kommen, so lasse mich wissen; so passe ich ihr auf und fasse sie ab, wenn sie in Californien landet Wenn ich bis April eine Frau habe durch deine Mühe, so mache ich Dir 100 Dollar Geschenk, sobald ich in der Lage bin.

Frau Zopfi

Schon zwei Wochen später teilt er dem Bruder mit, die Sache mit Josepha und ihm sei wieder Flöten gegangen. Betrachte die Sache mit ihr [als] abgetan. Habe mich schon um eine andere beworben und bin sicher, dass selbe kommt. Behalte es aber für dich.

Auch diese Hoffnung zerschlägt sich. Im Februar 21 heisst es schliesslich, das «Heirats-Fieber» sei abgeklungen; einstweilen wolle er es alleine versuchen und den Kochlöffel schwingen und den Waschtopf besorgen. Zwar gelinge ihm die Zubereitung der Mahlzeiten oft nicht wunschgemäss, aber was ihm nicht schmecke, verfüttere er dem Hund oder den Hühnern. Dann gibt er Auskunft über die Art und Weise, wie er sich ernährt:

Brot bake ich selbst, aber bis da ist es unverhofft gut geraten und bin im Stande, jeden Tag eines zu essen. Am morgen gibt es drei Tassen frisch gemolkene Milk, Brot, frische Butter und Ho­nig. Milk und Butter ist mein eigenes Produkt und habe genug. Brot mache ich selbst, das Mehl muß ich kaufen. Am Mittag werktags gibt [es] 2 - 3 Eier gebraten oder ge­kocht, Pfannkuchen und zu Trinken wieder Milk und Honig auf den Kuchen. Für zum Nachtessen, da ist eine kleine Abwechs­lung Suppe, wie man zu Hause macht mit etwas mehr Milk [dar­in], [dann auch] Po­lente mit Butter-Milk oder Reis mit Rahm. Fleisch habe ich nicht viel mit Ausnahme Speck mit Bohnen am Sontag, wenn ich Zeit habe zu kochen. Hasen hatte ich in der Fallen drei gefangen letzten Monat und einen Vogel zum kochen. Der Hasen hat mich Frau Zopfi kochen gelernt und hat gut geschmeckt.

Frau Zopfi wird schon in früheren Briefen zweimal genannt, ohne dass man weiteres über sie erfährt. Umso erstaunlicher ist es, dass Thenen im Juli 1917 schreibt, die Mutter habe inzwischen auch sicher 1000 Fran[ken] erhalten von Anna Zopfi, Glarus; 500 Fr. davon gehören Dir. Ich werde Mutter Bescheid sagen. Leider fehlt hier die Brieffortsetzung. Dort hat er wahrscheinlich erklärt, wie es dazu kam, dass die Glarner Auswanderin, Geld an die Familie ihres Nachbarn geschickt hat. Das Geldgeschenk bleibt jedenfalls rätselhaft. Was wir aber wissen: Frau Zopfi und ihre Familie sind Thenens Farmnachbarn. Ihnen überlässt Josef einen Teil seiner Früchteernten; auch schenkt er ihnen Honig.

Josef Thenen mit der aus Glarus zugewanderten Nachbarin Frau Zopfi, 1920.
Josef Thenen mit der aus Glarus zugewanderten Nachbarin Frau Zopfi, 1920.

Anna Zopfi, so scheint es, nimmt den Walliser Junggesellen recht eigentlich unter ihre Fittiche. Unter ihrer Anleitung lernt er kochen, den Garten bepflanzen und einen Teil der Ernteerträge haltbar machen. Wenn man liest, was er alles anbaut, erntet und verwertet, erkennt man, wie gelehrig er ist. Ausführlich schildert er der Schwägerin im Sommer 1921, was bei ihm alles gedeiht und wie reich die Erträge sind. Hier ein kurzer Auszug aus der mehrseitigen Antwort auf ihren kurzen Brief, den er übrigens als eine kleine Blume am Wegesrand wahrnimmt: Wie mehr Blumen, wie schöner die Gegend.

(...) musste schon jetzt Apfelbäume unterspanen, dass ich Furcht hatte, es brächen die Äste, so sind sie mit Früchten beladen. Habe nicht aufgepasst oder noch nicht daran ge­dacht, zu unterspanen. Ein Pflaumenbaum, wo am mei­sten daran war, hat es ganz umgerissen, war faul am Stamm, war steckend [komplett] voll Früchte. Kirschen habe ich für die letzten 14 Tage jeden Tag geges­sen, 2 - 3 Mahl. Am besten gefallen sie mir, wenn ich sie mir selbst über den Zaun kann stehlen; wenn ich aufsteige, habe ich gleich genug, sind nicht Kirschen wie zu Hause; diese [hier] sind viel grösser. 3 Kirschen ist schon ein Maul voll, und [du] kannst [sie] schon beinahe im Munde nicht verarbeiten. Beinahe 20 Liter habe ich einge­kocht (...) ein wenig habe ich getrocknet und welche sind noch nicht reif.

Erdbeeren habe ich für drei Wochen jeden Tag zum Mittag. Eine Supenschüsel voll, zwei Löffel Zucker daran und das mit einer Gabel zerquetschen, dann tüchtig Niedel [Rahm] dran, ein Stück Ku­chen in eine, den Löffel in die andere [Hand] und ich sage Dir, es gibt kein besseres Fres­sen. Etwa 4 Liter habe ich eingemacht; hatte keine Zeit, sonst hätte ich mehr eingemacht. Wirklich muß ich die Himbeeren und Loggen Beeren verarbeiten. (...) [mit] Himbeeren wird Konfitür gemacht oder Sirop. (...). Ein Glas, ¾ Wasser, ein par Tropfen Essig und den Rest Himbeersirop, ist gleich wie leichter süsser Wein und im Heuet ist es zimlich gut. Himbeeren gibt's noch für 14 Tage [bis] 3 Wochen, und 14 Tage zurück, hatte ich die ersten. Wenn die vorüber sind, kommen die Schwarz Beeren, Immergrün- oder Alaska Beeren, deren habe ich am meisten vorläu­fig, will aber mit der Zeit mehr Loggen Beeren pflanzen, die sind verkäuflicher. Nach den Beeren im September gibts Hime­laien Beere (!), habe nur 4 Stauden solche, will aber mehr pflanzen nächsten Winter und mit der Zeit. Haggel Beere kommt auch im Herbst; die sind im Walde wie daheim. Dann hat es noch andere Beere, die kleine schwarz Beere. Die wachsen auch wild. Habe aber welche im Garten, und lassen sich zähmen und sind süss. Habe auch ungefähr 4 Liter eingemacht (...). Somit gibts Beeren von Mitte Mai bis Dezember - immer Beeren, nur holen und zubereiten.

Von April bis Juni habe er täglich etwas gepflanzt; dabei (in Triebbeeten) alles selbst gezogen vom Samen auf. Auch über die verschiedensten Gemüse äussert er sich ausführlich. Die Anbaumenge sprengt jedes Mass; so berichtet er etwa von 2'500 Kohlköpfen oder von 300 Tomatenstauden. Wie er die Ernte in den Handel bringt, lässt er offen. Nur bezüglich des Butter- und Käseverkaufs erfährt man, dass er an einem einzigen Tag damit 15 Dollar eingenommen habe. Bei Frau Zopfi hat er übrigens gelernt, wie man Butter durch Einkochen haltbar macht.8

Die Schwägerin hat ihn gefragt, wie es ihm auf der Farm gefalle. Sehr gut, sonst wäre er wieder in Münster, antwortet er. Tatsächlich gibt es keine Zweifel, dass er insbesondere ein erfolgreicher Gemüsebauer ist. Die Frage stellt sich, wie er das alles bewältigt. Er baut so vieles auf so grossen Flächen an, dass das heute eine Person allein (selbst mit Maschinen) nicht schaffen würde. Josef Thenen brüstet sich keineswegs damit, aber einen gewissen Stolz zeigt er durchaus. Es ist nicht zu übersehen, dass er mit den bäuerlichen Erfolgen der Schwägerin und dem Bruder eine Übersiedlung nach Oregon schmachhaft machen will. Er macht sie denn auch ein weiteres Mal darauf aufmerksam, dass er ihnen die Hälfte seiner Ranch (80 acres Land mit Obstgarten), zwei Kühe und alles, was sie für die erste Zeit zum Leben nötig haben, abtreten würde.

Auf die Frage der Schwägerin nach seinem Befinden zeigt Thenen, wie gut es ihm tut, dass jemand an seinem Leben Anteil nimmt: Freut mich sehr, Maria, und danke dir. An seinem «Tun und Lassen» zeigten sonst nur wenige Leute Interesse. Er ergänzt denn auch sogleich, es seien schon Punkte dunkel, die einem nicht gefallen: erster dunkler Punkt, dass ich keine Frau habe. Und fügt eine ganze Reihe weiterer Defizite hinzu. Alle haben mit dem Männerhaushalt zu tun. Was zu seiner Zeit (und teilweise bis heute) Frauenarbeit war resp. ist, muss er selber erledigen: kochen, Brot backen, abwaschen, Kleider waschen, die Zimmer reinigen und so fort. Und nicht zuletzt, dass er allein im Bett liegen müsse und mit niemand offen sprechen könne. Die Negativliste lässt er er aber nicht so stehen: Alles andere ist schön, sehr schön. Die gute Seite wiegt alles doppelt auf.

... ist Josepha Lagger willig, nach Amerika zu kommen

Im eben besprochenen Brief ist wiederum von Josepha Lagger die Rede. Zwischen ihr und Josef Thenen gehen nach wie vor Briefe hin und her. Jeder von ihr bezeuge ihm, dass sie keinen anderen Mann heiraten werde – ohne meine Bewilligung. Das klingt merkwürdig. So, als ob sie vereinbart hätten, ohne sein Einverständnis könnte oder würde sie keinem anderen Mann heiraten. Wie es zu dieser Abmachung kam, erfahren wir nicht.

Am 27. September 1921 wendet sich Josef Thenen wieder an den Bruder. Des besonderen Inhalts wegen gebe ich den Text ungekürzt wieder:

Lieber Bruder!

Wie Du inzwischen sicher vernommen hast, ist Josepha Lagger willig, nach Amerika zu kom­men, um meine Frau zu werden. Bitte gib ihr alles Geld, was Dir irgendwie möglich ist. Wie Du sicher weisst aus Erfahrung, dass man Geld über all nötig ist [!], wenn man heiratet und neuen Hausstand gründet. Nicht etwa, dass Du Ungelegenheiten haben sollst mit Geld oder ich Dir machen will: nur was Du ohne Trubel [Einschränkung] entbehren kannst. Bitte gib ihr ein Schreiner Meter­mass und eine Schweifsage [mit]; das ist nicht so schwer mitzubringen, das heißt, wenn sie noch nicht vereist ist.

Sonst bin ich gesund und zufrieden. Letzte drei Tage habe ich gepflügt, ging zuerst etwas schwer. Neuer Grund und nie zuvor gemacht. [Die] Pferde schaffen gut, und habe ein guter Kauf gemacht: 150 Dol. für die drei mit Harnis (!) und Springwagen (Bugÿ). Wenn die Frau auch so billig wird, kann ich mich loben. Um reich zu werden, muß man eine gute Frau und gute Pferde haben. Habe schon drei freische (!) Kühe; die letzte hatte ein Stier; der wird für ein Hochzeit Braten gespart und [dazu] 4 Hasen. Glaube, das langt, oder was sagst Du? Will enden für dieses Mahl.

Der Brief endet nicht nur für dieses Mal; es ist der letzte Brief überhaupt. Josefa Lagger reiste nicht «nach Amerika». Eine ärztliche Untersuchung ergab, dass sie herzkrank war. Der Arzt riet ihr von der Reise ab. – Und Josef Thenen verunglückte am 10. Dezember 1921 mit Ross und Wagen in einem Fluss in der Nähe seiner Farm tödlich.

Josefs Nichte, eine Tochter von Ludwig und Maria Thenen-Werlen, erzählte im April 1990 in einem Gespräch mit Klaus Anderegg, was sie damals über das Unglück ihres Onkels erfuhren:

Die Familie Zopfi hat geschrieben – das waren Schweizer und mit denen war er ja viel – die haben gesagt, er sei mit dem Ross über den Fluss. Und mit dem Ross über den Fluss, hat der Vater gesagt, seien sie doch immer gegangen – der Fluss sei gegen Abend angewachsen und [habe] sie einfach genommen: Ross und Mann. Jetzt weiss ich nicht, da ist sonst kein Bericht herausge­kommen. Gesehen hat es niemand, ausser die Zopfis, und wir wollen es so glauben.

So endete die Geschichte des Mannes, der nach Jahren schwerer körperlicher Arbeit in den Vereinigten Staaten erfolgreicher Farmer wurde und sich unmittelbar vor dem ersehnten Glück wähnte, der Hochzeit mit der Frau, um die er so lange geworben hatte.

Gruppenbild im Holzfällercamp (1915); mittlere Reihe, 3. von links: Josef Thenen.
Gruppenbild im Holzfällercamp (1915); mittlere Reihe, 3. von links: Josef Thenen.

  1. (Dieser und die folgenden Briefe sind der heutigen Rechtschreibung und Zeichensetzung leicht angenähert.)

    Crescent City ist eine Kleinstadt in Nordkalifornien, direkt am Pazifischen Ozean gelegen. Die Stadt wurde 1851 von Goldsuchern gegründet und hatte bei der Volkszählung im Jahr 2010 7643 Einwohner. Die Grenze zum Bundesstaat Oregon liegt 30 Kilometer nördlich. ↩︎

  2. Josef Thenen stand auch mit seiner Mutter und weiteren Personen aus Münster in brieflichem Kontakt. Diese Briefe sind allerdings nicht erhalten. ↩︎

  3. Was es mit dem «Hirntyphus» auf sich hatte, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Mit dem Ausdruck könnte Hirnhautentzündung (Meningitis) gemeint gewesen sein, eine Krankheit, die damals ohne wirksame Medikamente (v.a. Antibiotika) oft tödlich endete. Eine Meningitis-Epidemie grassierte 1911 z.B. in Texas. ↩︎

  4. Weil ab dem Briefwechsel die eigentliche Geschichte von Josef Thenen beginnt, wechsle ich ab hier ins Präsens. ↩︎

  5. Das neutrale «es» für eine Frau zu benützen, war im Walliserdeutsch üblich. Übrigens auch für Männer. Besonders für diese wird das Pronomen auch heute noch oft gebraucht. ↩︎

  6. Statt dem Pronomen «ihr» gebraucht er «sie». ↩︎

  7. Die ehemaligen Vormundschaftsbehörden wurden auch bei Erbteilungen aktiv, insbesondere wenn ein Teil der Erben oder deren Nachkommen ausgewandert waren. ↩︎

  8. Auch bei uns wurde bis vor zwei, drei Generationen eingekochte Butter zum Braten so selbstverständlich gebraucht wie heute die verschiedenen Pflanzenöle. ↩︎