Hotelmigration ins überseeische und europäische Ausland

Über weltoffene Walliser aus Turtmann und Simplon Dorf

Nicht nur die Auswanderer in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts provozierten die Walliser Oberschicht, amtliche Würdenträger ebenso wie die Geistlichkeit. Diese lehnten die Auswanderung ab. Man sah im Verlust von Steuergeldern und im Abfluss von Kapitalien eine Schwächung des Staates. In den Zeitungen erschienen Stellungnahmen, in denen die Auswanderung als schädlich und überflüssig beurteilt wurde. Auch die Arbeits- bzw. temporäre Migration wurde von konservativen Kreisen abgelehnt. Es wurden insbesondere moralische Bedenken vorgebracht. In der lokalen Presse wurde in den dunkelsten Farben gemalt, welchen leiblichen und insbesondere seelischen Gefahren sich das junge, unerfahrene Volk aussetze. In einem Artikel im «Walliser Boten» vom März 1901 fragte der Verfasser:

Wie wird's dem jungen leichtlebigen Menschen ergehen, wenn er in Gegenden kommt, wo er oft nur das Gegentheil des Bisherigen sieht und hört, das einzig darauf hinzielt, der Sinnlichkeit zu schmeicheln und alles andere als albern und Thorheit hinzustellen.

Von den katholich-konservativen Wortführern wurde die Fremde als Gefahr eingestuft. Wer ihr widerstand, galt über den Tod hinaus als charaktervoll und tugendhaft. So bemerkte die gleiche Zeitung am 14. Oktober 1914 in einem Nekrolog:

Mit dem Verstorbenen ist wieder einer jener Männer ins Grab gestiegen, der seinen Mitbürgern immer ein gutes Beispiel gegeben. Eines sei hier nur erwähnt. Der allzu grosse Hang der heutigen Jugend, dem Land den Rücken zu kehren und in Städten das Heil zu suchen, war ihm ganz zuwider. Seine Kinder sind ein Beweis dafür, denn sie haben die Gefahren der Fremde gemieden.

Hinter den moralischen Bedenken gegenüber der Arbeitsmigration versteckte sich noch eine andere Sorge. Die jungen Leute kehrten mit Erfahrungen in die Dörfer zurück, die sie zu Hause nie gemacht hätten. Sie brachten hin und wieder Bewegung in erstarrte Strukturen und störten die dörfliche Ordnung. Bei manchen wäre man froh gewesen, wenn sie nicht heimgekehrt wären. Bei irgendeinem Streit, aber auch bei harmlosen Streichen sah man den Urheber oftmals in einem Rückkehrer. Aus dem Goms zum Beispiel berichtete der «Walliser Bote» vom 15. März 1905 über ein Vorkommnis während der Fasnachtszeit. Auf der Rückreise von einem Ball habe es Beschimpfungen und unangenehme Ausfälle gegeben. «Und wenn man nach den Ursachen frägt, so findet man, dass es junge Leute sind, die, mit verkehrten Grundsätzen aus der Fremde zurückgekehrt, in die stillen Dörfer ihre faulen Eier legen.»

Indessen hatte ein Korrespondent des gleichen Blattes schon Jahre zuvor einem Gegner der Arbeitsmigration widersprochen:

Lasse er nur ruhig unsere Jugend ziehen, bekümmere er sich nicht um diejenigen in der Fremde, so wenig wie sie den Namen Abenteurer, Goldjäger, Modefräulein u.s.w. verdienen. Wir haben im Winter noch müssige Schlingel genug zu Hause. Uebrigens werden diese Ledigen von der Wanderschaft schon wieder zurück kommen, wie ihrer schon so viele, und, so wir auch hoffen, im Allgemeinen eben so gut und brav, als die zu Hause gebliebenen, wohl aber etwas entwickelter, thätiger und erfahrener.1

Vinanz und Alfred Oggier.

Ein starkes Beispiel dafür, wie berechtigt die zuletzt zitierte Meinung war, gaben die beiden schon genannten Turtmänner Brüder Oggier. Vinanz arbeitete von 1889 bis 1896 in Chicago, sein Bruder etwas weniger lang am gleichen Ort. Beide erwiesen sich als tüchtige Dienstleister. Als Kellner bzw. Oberkellner stiegen sie in anspruchsvolle Positionen auf. Welch hohe Wertschätzung besonders Vinanz genoss, zeigte sich zum Beispiel, als ihm anlässlich der Weltausstellung in Chicago 1893 zweimal die Eröffnung eines grossen Hotels übertragen wurde. Ebenso erstaunlich war der berufliche Erfolg des Vinanz Oggier nach seiner Heimkehr. Sein Wissen und seine Kommunikationskompetenzen nutzte später auch die Wohngemeinde, indem sie ihn in politische Ämter wählte.

Die Lebensgeschichte von Vinanz Oggier ist ebenso erstaunlich wie atypisch; sie illustriert vieles aus der Zeit vor und nach 1900 sowohl im Wallis als auch in den Vereinigten Staaten. Oggier selbst hat die ihn und seine unmittelbare Umgebung betreffende Ereignisse in einem Journal festgehalten, das er – beginnend mit seiner Geburt! – bis 1914 fortführte. Das Dokument hat einen Umfang von 60 grossformatigen Seiten.2 Die aufgeführten Fakten sind ein wertvolles Zeitzeugnis. Sie geben auch Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt um die Jahrhundertwende.

Von Andermatt nach Baltimore. Vinanz Oggier wird 1867 in Turtmann geboren, ein knappes Jahrzehnt, nachdem die Walliser Auswanderung nach Übersee, insbesondere nach Argentinien begonnen hat. Er und sein Bruder verlieren schon 1877 die Mutter, worauf der Vater erneut heiratet. Nach der Schulzeit ist Vinanz während zweier Sommer Alphirt, lässt sich mit 18 in Diablerets als Hotelportier anstellen und arbeitet im Jahr danach erstmals im Ausland, hauptsächlich als Liftboy im Hotel Pallanza in Verbania am Lago Maggiore. Hier machen ihm bald Kniebeschwerden zu schaffen. So sehr, dass er im Frühjahr 1888 ins Elternhaus zurückkehren muss. Immerhin erholt er sich rasch, so dass er sich im August im Grand Hotel in Andermatt als Hotelportier neue Beschäftigung findet. Schon im Folgejahr reist er nach Übersee:

Den 3ten Jäner sein ich u Alex Meyer abgereist nach Amerika / zahlten 120 fr bis New York mit Französischer Linie Schif Cascogna machten Seefart in 8 Tagen / kamen den 14ten morgens 2 Uhr in Baltimor an dan gings zum Jos' Walther in Kost 12 Dolar par Monath / auch Vetter Cesar u Alfred Walter waren dort / am 2ten Februar gings zum 1ten mal an die Arbeit unter lauter Negren an Straßenbau / habe sehr streng / auch die übrigen Kammeraden waren dort / am 1ten März sein ich u Alex Meyer von der Arbeit gelaufen um besere Beschäftigung zu suchen

Im nördlich von Washington gelegenen Baltimore wird er auch mit dem nächsten Job nicht glücklich. Er arbeitet bei einem Blumengärtner, wo er vier Pferde besorgen, mit ihnen fahren und pflügen muss. Im September 1889 wechselt er darum nach Chicago; gut ein halbes Jahr lang zündet er da «für 20 Dolar par Monath u beköstigung» Strassenlampen an. Dann gelingt ihm der Einstieg ins gewünschte Berufsfeld, im «Hotel Auditorium als Omnibus oder Kellnerlehrbub». Schon einen Monat später wechselt er in gleicher Funktion ins Leland Hotel, wo er 30 statt wie bisher 22 Dollar verdient. Bald darf er selbstständig servieren und als Zimmerkellner arbeiten. Das überanstrengt ihn allerdings, so dass er krank wird und während längerer Zeit pausieren muss. Die besuchten Ärzte sind ratlos, bis einer den Beginn einer Auszehrung diagnostiziert3. Die eigentliche Ursache bleibt unerkannt. Schliesslich beginnt «ein grosser Kropf» seinen Hals zu verunstalten. Nachdem man diesen aufgeschnitten habe, sei er wieder hergestellt gewesen, hält er im Journal fest. Drei Wochen später kehrt er ins Leland zurück. Er verdiene gut und sei dort zuhause.

Beruflich vorankommen. Im Frühjahr 1892 kommt auch sein Bruder Alfred nach Chicago und fängt in einem anderen Hotel ebenfalls als Kellnerlehrbub an. Beide arbeiten, «wies dort der Brauch ist» zehn Stunden täglich. Vinanz kommt beruflich vorwärts, wird vorerst Barkeeper, in den Sommermonaten dann Steward einer Ausflugsjacht auf dem Michigansee. Zurück im Leland (Februar 93), erfolgt bald die ultimative Herausforderung: Er wird ins gut 100 km nördlich gelegene Milwaukee geschickt, wo er das für die Weltausstellung erbaute Pfister-Hotel, einen mit modernsten Einrichtungen ausgestatteten 400-Zimmer-Bau, eröffnet. Nachdem er den Auftrag erfolgreich umgesetzt hat, wird er nach Chicago zurückgerufen, «um das Chicago Beck Hôtel aufzumachen». Beide Male hat er den Bruder an seine Seite. Während der Weltausstellung4 selbst hätten sie gut verdient. 24 Köche hätten täglich für 1'500 Gäste Mahlzeiten zubereitet, die von 100 Kellnern serviert wurden.

Vinanz Oggier (Mitte) mit Arbeitskollegen in Chicago. (Foto aus den 1890er-Jahren.)
Vinanz Oggier (Mitte) mit Arbeitskollegen in Chicago. (Foto aus den 1890er-Jahren.)

Kurzzeitige Rückkehr ins Wallis. Im November, unmittelbar nach dem Ende der Ausstellung, entschliesst sich Vinanz Oggier, in die Schweiz zurückzureisen. Die Reisekosten bis ins Wallis betragen 44 Dollar. Mit einem französischen Schiff überquert er gemeinsam mit 1800 Passagieren den Atlantik und gelangt schliesslich über Paris, Dijon und Vallorbe in die Schweiz.

Schon Ende April 1894 reist er gemeinsam mit gut einem Dutzend Wallisern und Walliserinnen zurück nach Chicago, wo er zwei weitere Jahre verbringt. 1894/95 macht er folgenden Journaleintrag:

Gearbeitet bis 15 Brachmonath [Juni] dan ausgetreten / war mir zuwenig verdinst u wartete auf besere Arbeit zu meinem alten Direcktor / 2 Wochen nicht gearbeitet / am 1ten Heiümonath [Juli] im Graet Norderen Hôtel angefangen / im Cafe France / war das gröste u feinste Hotel der Stadt 1500 Zimer u das schönste Theater der Stadt war im Hôtel / hatten 3 Küchen 5 Speisesälle mit etwa 150 Kellner / war 16 Stock hoch u auf dem Dach ein feines Garten gezirt mit Palmen u Südlichen Pflanzen u haten abens Concert dort. Dan nahm ich auch Bruder zu mir / nun arbeiteten wir zusamen / meine Stelle konnte ich par Monath 80 Dolar näbs Drinkgeld rechnen5 [fr / bin dan an der Nacht wache Oberkelner geworden / Arbeitete dort bis 1ten Marz 1895 / fing am nämlichen Tag an im Groveland Hôtel als Oberkellner / hatte Stelle geändert wegen meinen Linken Knie / Dokterte mit Dr Borter von Ems Wallis / dort gewesen bis 15 Mai dan ging ich ins Merei Hospital um mich kuriren zu laßen, […]

Ein Einkommen in dieser Höhe war nur in der Hotellerie und da auch nur in Erstklasshotels möglich. Die hier verkehrende Klientel kann sich grosszügige Trinkgelder leisten. (Das war auch in den mondänen Touristenorten Frankreichs, Italiens und der Schweiz ähnlich.) Wie eben gelesen, macht ihm wiederum das linke Knie zu schaffen, ja, für ihn beginnt eine eigentliche Leidenszeit. Sie führt ihn von Arzt zu Arzt, darunter gar zu einem emigrierten Walliser. Einmal zieht man ihm mit einer Nadel Wasser aus dem Knie, aber diese und weitere Therapien fruchten wenig. Zeitweise geht es ihm zwar besser, so dass er als Kellner die Arbeit fortführen oder wiederaufnehmen kann. Besorgniserregend wird es, als sich das Bein zu versteifen anfängt. Er kann sich nur unter Schmerzen am Stock fortbewegen. Ein Teil seines Verdienstes geht jetzt für Arztrechnungen und Medikamente drauf. Eine Einzelkonsultation kostet ihn zwischen 25 und 35 Franken. (Das entsprach in der Schweiz dem Monatslohn eines ausgebildeten Arbeiters.) Dazu kommt, dass er, wenn er nicht arbeiten kann, Unterkunft und Verpflegung selbst berappen muss. Bei Stellenwechseln kehrt er mehr als einmal in ein Hotel zurück, wo er schon einmal als Kellner gearbeitet hat. Das belegt, welche Anerkennung er als Oberkellner geniesst. Die Wechsel haben auch mit der Hoffnung zu tun, das Knie am neuen Ort weniger stark belasten zu müssen.

Die Kniebeschwerden verschlimmern sich. Hier einer seiner Journaleinträge von Ende 1895 und Anfang 1896:

[…] hatte 2 Docktor Dr Asoe u Dr Gisi / ging zimlich besser / am 8 mußte ich nach Chicago weil mir dort der Plan von unsem Haus Wartete u auch ob der Preis angenomen werde / 11000 Fr / 6000 zahlbar im Setembre u den rest wen der Bau fertig ist. / Nahm’s so an / nun war ich wieder in Chicago u konnte noch nicht arbeiten / dan gings zum Otilo / welcher mich ein wenig besserte u fing am 26 Setember im Graet Northeren Hotel wider an in meiner alten Stelle, hatte aber immer Schmerzen u konnte schlecht Gehen u dokterte forwärts / hatte Dr Kronig dan Dr Nikerson zum Elektrisiren 3 Mal die Woche u das für 3 Monath lang / kostete jedesmal 1 Dolar 5 fr / Arbeitete aber schwer.

[…]

War noch im Graet [!] Northeren Hotel / hatte zimlich schweren Dinst / mein Knie ging schlechter / konnte nicht mehr gehen ohne Stock / am 18ten Februar bekam ich 5 Tage zum Ruhen / war mit’s Winkelrieds in Wheiting Ind bei Saud Chicago als ich sollte anfangen arbeiten / konnte nicht mehr, bin ganz steif geworden / nun blib ich in Weiting um mich zu Pflegen / dan gings zum Dr Rando / machte 5 Besuche / kostete 175 (?) fr / nichts genützt / dan wider zu meinem andren Großartigen Dr in Hammen Ind / zahlte 35 fr Dolar / war alles gleich / kam immer schlechter / für Kost zahlte 70 fr zum Monath u war zuhause

Gruppenfoto mit Einzelauswanderern aus dem Bezirk Leuk in den Vereinigten Staaten (Chicago). Die hier abgebildeten jungen Leute arbeiteten bei ihrem als temporär geplanten Aufenthalt im Gastgewerbe. Die Reise wurde vermutlich von Vinanz Oggier organisiert. Hintere Reihe die letzten 3 Personen rechts: die Brüder Vinanz und Alfred Oggier; ganz rechts Alex Oggier (späterer Schwager). Die Frau im hellen Kleid stammt aus Siders, rechts und links von ihr sitzen die beiden Schwestern Luise und Isabelle Kreuzer. Von den abgebildeten Personen stammen acht aus Turtmann (auch die Kreuzer-Schwestern), die übrigen vermutlich aus Unterbäch, Eischoll und Ergisch. Sechs von ihnen kehrten später ins Wallis zurück.
Gruppenfoto mit Einzelauswanderern aus dem Bezirk Leuk in den Vereinigten Staaten (Chicago). Die hier abgebildeten jungen Leute arbeiteten bei ihrem als temporär geplanten Aufenthalt im Gastgewerbe. Die Reise wurde vermutlich von Vinanz Oggier organisiert. Hintere Reihe die letzten 3 Personen rechts: die Brüder Vinanz und Alfred Oggier; ganz rechts Alex Oggier (späterer Schwager). Die Frau im hellen Kleid stammt aus Siders, rechts und links von ihr sitzen die beiden Schwestern Luise und Isabelle Kreuzer. Von den abgebildeten Personen stammen acht aus Turtmann (auch die Kreuzer-Schwestern), die übrigen vermutlich aus Unterbäch, Eischoll und Ergisch. Sechs von ihnen kehrten später ins Wallis zurück.

«Der Plan von unserem Haus». Tatsächlich lässt Oggier zu dieser Zeit in Turtmann ein Haus bauen. Die 11'000 Franken hat er als Baukosten selbst festgelegt und vom Baumeister bestätigen lassen. Sein Aufenthalt in den USA war folglich nur als temporärer gedacht. Er ist nach Übersee gereist, um sich die finanzielle Grundlage zu schaffen für seine spätere Tätigkeit in Turtmann. Wer ausser ihm und Familienmitgliedern (Vater, Stiefmutter und Halbgeschwister) im Haus wohnen soll, ist zu diesem Zeitpunkt unklar. Eine Braut oder Ehefrau gibt es jedenfalls (noch) nicht. Es fehlt jeder Hinweis auf eine bevorstehende Heirat.

Gruppe von Arbeitsemigranten in Chicago; hinten links Vinanz Oggier und hinten rechts Alex Meyer; alle aus Turtmann.
Gruppe von Arbeitsemigranten in Chicago; hinten links Vinanz Oggier und hinten rechts Alex Meyer; alle aus Turtmann.

Heimkehr. Der 30-Jährige entschliesst sich 1896 zur dauerhaften Rückkehr in die Schweiz. Von Le Havre aus fährt er diesmal über Paris, Bern und Lausanne nach Turtmann, wo er am 16. Juni eintrifft. Auch im Wallis sucht er einen Arzt nach dem andern auf. Zwischen Leuk und Münster dürfte er bei den meisten von ihnen gewesen sein. Über eine Kneipkur notiert er, sie habe ihm mehr geschadet als genützt. Das Bein ist inzwischen so krumm, dass er beim Stehen nur mit der Fussspitze den Boden berühren kann. Arbeiten kann er nicht; als einzige Tätigkeit bleibt ihm «die aufsicht beim Bau des neuen Hauses». Am 6. Oktober 1896 erfolgt die Schlüsselübergabe.

Kann Dr. Kocher helfen? Bis Juni 1897 geht es mit Konsultationen und Therapien (darunter ein Aufenthalt in Leukerbad) erfolglos weiter. Nachdem er den Sommer auf der (familieneigenen) Voralp Isel verbracht hat, entschliesst er sich, Dr. Kocher im Berner Inselspital um eine Behandlung zu ersuchen. Tatsächlich kann er Ende Jahr dorthin reisen. Das tut er nicht allein, sondern gemeinsam mit dem fünfjährigen Sohn eines Bekannten, der wie er an Kniebeschwerden leidet.

[Am 20. Dezember] um halb 11 Uhr kamen wir beide zum Oparation / dauerte bis 1 Uhr / haben uns eingeschläft dan wars vorbei, man hatte mir 2 Zoll aus dem linken Knie geschnitten / der Knochen war angegriffen / Schmerzen dauerte 2 Tage / am 25 mußte man mein Fuß oder Knie strecken ist krum geworden u ein stärkeres steifverband machen / hatte dises Mahl große Schmerzen für 3 Tage / der einzige Besuch war Maria Zbrun welche dort im Dinst war/ am 13 Januar standen wir auf u am 15 Januar kamen wir beid glücklich in Turtman an mit unsen steifen Beinen».

Der vom Chirurgen vorgenommene Eingriff war erfolgreich6. Wir erfahren noch, dass er während dreier Monate einen Verband trägt, danach erstmals wieder ohne Stock geht und am 20. Juni im Schweizerhof in Fribourg eine Tätigkeit als Oberkellner aufnimmt. Ab jetzt fehlen weitere Hinweis auf ein Knieleiden.

Auf das Ende der körperlichen Beschwerden folgt die Wiederaufnahme der Arbeit im Hotelgewerbe; im Sommer 1898 wird Vinanz Oggier Oberkellner im Schweizerhof in Fribourg, wo er die nächsten fünf Jahre jeweils während mindesten zehn Monaten arbeitet. Er verdient monatlich mit zwischen 250 und 300 Franken zwar einiges weniger als in Chicago, für schweizerische Verhältnisse jedoch überdurchschnittlich viel. Auch den jüngeren Halbbruder Adolph, der in Ecône Französisch gelernt hat, nimmt er nach Fribourg mit. Inzwischen ist Alfred ebenfalls aus den USA zurück; er arbeitet eine Zeitlang als Oberkellner in Belalp und erhält dann durch Vermittlung von Vinanz eine Anstellung als Comisionair in Menton an der französischen Riviera. In diesem Kontext erfährt man erstmals etwas über die Sprachkenntnisse der Brüder (bei der Lektüre des Journals stellt man mit Erstaunen fest, wie rasch sich beide im englischen Sprachraum zurechtfanden, Vinanz sich dazu jedoch nie explizit äusserte):

Vatter 59 Jahre alt sprach nur Deutsch / ich 32 Jahre sprach Deutsch Französisch Englisch u einwenig italienisch / Bruder Alfred 29 Jahre alt sprach auch 3 Sprachen / Stifmuter Katherina Bregi 54 Jahre nur Deutsch / Adolph Stif-Bruder 18 Jahre sprach zimlich Französisch u Deutsch / Klemens auch Stifbruder 15 Jahr Deutsch / Leonie 11 Jahre / Oskar 10 Jahre alt.

Hier erfährt man wie nebenbei, dass Vinanz und Alfred vier Halbgeschwister haben. Dass Französisch die naheliegende Zweitsprache ist, kommt vor allem daher, dass sich zwischen Turtmann und der wenige Kilometer westlich liegende Gemeinde Sierre die Sprachgrenze befindet.

Heirat. Mit dem Stichwort ‘Heirat’ ist auch schon das Thema gesetzt für Vinanz selbst. Er schreibt 1899 von seiner ersten hoffa, was er mit Liebeserklärung übersetzt. Offenbar erfolgreich hat er sie gegenüber der 22-jährigen «Fräulein Alexandrin Oggier von Turtmann» gemacht. Sie ist die Schwester von Alex Oggier, der ebenfalls befristet nach Chicago emigrierte (siehe 2. Foto oben) und im 4. Grad mit Vinanz verwandt. Den Jahrhundert-Jahreswechsel verbringt er bei der Familie seiner Zukünftigen. Aber erst am 2. Februar 1901 notiert er: «Madame Oggier gefragt um ihre Tochter u stelte Heirath in aussicht.» Die ungewöhnliche Formulierung ist der Beginn weiterer Eintragungen zu den notwendigen Heiratsvorkehrungen, etwa dass er seine Sachen auf seinen Namen eintragen lasse oder dass er als junger Bürger in der Nachbargemeinde Agarn eingetreten sei, dafür 20 Franken bezahlt und für Standeswechsel auf Ostern abgemacht habe. Es dürfte damit zu tun haben, dass von der Behörde rechtsgültige Papiere vorliegen mussten, damit der zivilstandsrechtliche Eintrag für das Ehepaar vorgenommen werden konnte. Warum Vinanz deswegen in Agarn als Bürger eintrat, lässt sich nicht klären. – Die Hochzeit zwischen der 26-jährigen Braut und dem zehn Jahre älteren Bräutigam wird 1903 mit 28 Gästen im Grand-Hotel de la Poste seines Onkels gefeiert.7 (Dass ein Onkel das aus dem 18. Jahrhundert stammende Gasthaus in Sierre führt, könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass mindestens drei seiner fünf Neffen Beschäftigung im Hotelgewerbe suchten.) Das Paar bezieht nach der Hochzeit die Wohnung im 3. Stock des neu erstellten Hauses (was einen Eindruck vermittelt von der Grösse des Gebäudes).

Nebenerwerbsbauer? Nun ändert sich – wenigstens vorläufig – die Erwerbstätigkeit von Vinanz Oggier. Er notiert, dass er nun Feldarbeit mache, während seine Frau wie bisher von Juni bis September im Weiler Gruben als Posthalterin tätig sei.8 Er selbst beginnt den Kleinstbauernbetrieb zu betreiben, vorerst nur mit einer Kuh, die 302 Franken9 gekostet hat, aber wenig später abgetan werden muss. Die Schwiegermutter schenkt ihm daraufhin eine Kuh samt Kalb, so dass er für den Januar und Februar 1904 als ersten Käserei-Ertrag notieren kann: «624 lt. Milch, 53 […] Käse und 17 […] Butter». (Bei der Mengeneinheit von Käse und Butter dürfte es sich Pfund handeln.) Das sind zwar im Vergleich zu den bisherigen Einkünften bescheidene Erträge, aber es wird sich zeigen, dass Vinanz Oggier das bäuerliche Gewerbe rasch vergrössert, auch wenn er nicht beabsichtigt, den Lebensunterhalt hauptsächlich mit Einkünften aus der Landwirtschaft zu bestreiten.

Schon im Jahr zuvor haben er und Alfred beschlossen, gemeinsam zwei Scheunen mit Ställen zu bauen. Während Alfred den Winter über wieder in Menton kellnert, ist Vinanz dafür besorgt, das Holz auf zur Baustelle zu schaffen. Sie haben im eigenen Wald 18 Lärchen gefällt sowie vier weitere und ebenso viele Tannen in den Gemeindewäldern auslesen können. Im Frühsommer dann werden die Scheunen innerhalb von eineinhalb Monaten aufgerichtet. Für reine Baukosten von 2'000 Franken. Alexandrin ist wiederum Posthalterin in Gruben, unterbricht den Aufenthalt aber für drei Wochen, um das erste Kind, die Tochter Anne Marie, zur Welt zu bringen. In der Folge gebiert sie in kurzen regelmässigen Abständen fünf weitere Kinder, wobei das zweite, Ida, fünf Wochen nach der Geburt stirbt.

Gewerbliche Erweiterung. Der Tod der Schwiegermutter im Frühjahr 1905 hat Veränderungen auch gewerblicher Art zur Folge, erweiterte sich doch die Erwerbsgrundlage des Ehepaars Oggier. Zum Erbe der Verstorbenen gehört ein Ladenlokal mit einem vermutlich ansehnlichen Warenbestand. Vinanz und Alexandrin erwerben dieses von ihren beiden Geschwistern für 7'000 Franken. (Der hohe Kaufpreis lässt den Schluss zu, dass es mehr ist als ein einfacher Lebensmittelladen. Jahre später erfährt man, dass für den Ankauf von Schuhen tausend Franken bezahlt werden, und gegen Ende des Journals ist im Zusammenhang mit einem Einbruch auch von Tuchwaren die Rede.) Kurz danach ziehen sie ins Haus mit dem Ladenlokal um, betreiben dieses aber nicht selbst. Sie stellen stattdessen eine Ladentochter ein, während Alexandrin wieder die Poststelle in Gruben bedient und Vinanz als Oberkellner ins Aostatal geht. Die junge Frau, die das Ladegeschäft vom Juni bis Oktober führt, ist die Lehrerin Ida Heinen von Ausserberg. Während der im Wallis damals langen Schulferien von Mai bis November brauchten Walliser Lehrer eine andere Arbeitsstelle.10

Hier und in der Folge zeigt sich die Geschäftstüchtigkeit des Vinanz Oggier. Im italienischen Hotel verdient er erheblich mehr, als wenn er in Turtmann auf dem Bauerngut und im Laden selbst arbeiten würde. Für die Heuernte und übrige saisonale Tätigkeiten beschäftigt er Einheimische. Diese entlöhn er nach den im Wallis üblichen Ansätzen, so dass während der Abwesenheit sogar in der Landwirtschaft Gewinn herausschaut. Die Männer bezahlt er pro gemähte Fläche und pro Fuder Heu: 60 Cents fürs Mähen von 100 Klaftern11 (zusätzlich Getränke) und 2.30 Franken «für jedes Fuder Heü oder Ämd in die Scheüne zu thun». Wenig überraschend ist, dass er die Arbeitskräfte ausschliesslich temporär einstellt. Auch eine Stallmagd braucht er nicht ganzjährig, da das Vieh auf der Alp gesömmert wird.

Als er Ende Oktober ins Wallis zurückkehrt, nimmt Ida Heinen die Arbeit als Lehrerin wieder auf. Nun kommt ihre Schwester nach Turtmann, aber nicht, um im Laden zu arbeiten, sondern als Stallmagd bzw. Küherin (zu dieser Zeit für einen Viehbestand von drei Kühen, zwei Rindern und einem Kalb). Während Vinanz 1885 als «Hausknecht und Küher» 20 Franken Lohn erhielt, bezahlt er zwei Jahrzehnte später der jungen Frau die Hälfte. Noch ein Vergleich: Jetzt und in der Folge verdient Vinanz als Kellner monatlich 500 Franken, d.h. das Fünfzigfache dessen, was die Stallmagd bekommt. Abgesehen von der massiv schlechteren Bezahlung für weibliche Arbeitskräfte ist die Lohnschere weiterhin dem Umstand geschuldet, dass es im Wallis viel zu wenig Arbeitsplätze gibt, so dass viele Leute im erwerbsfähigen Alter unter- oder überhaupt nicht beschäftigt sind, wenn sie nicht den Willen, die Energie und die körperlichen Voraussetzungen haben, temporär oder auf Dauer auszuwandern. (Die grosse Zahl junger Leute aus Turtmann, die um die Jahrhundertwende in Chicago arbeiten, illustriert den Sachverhalt.) Dass gewiefte Leute wie Oggier die sozioökonomische Situation zu ihrem Vorteil nützen, ist nicht zu bestreiten. Dies zu werten, ist jeder Leserin und jedem Leser selbst überlassen. Immerhin floss mehr Geld ins Tal, wenn Leute wie Oggier ihren an Tourismusorten im In- und Ausland erworbenen Verdienst zu Hause investierten. Zudem hätte sich an der gesamtgesellschaftlichen Misere wenig geändert, wenn ein einzelner Kleinunternehmer seine Angestellten besser entlöhnt hätte, als es vor Ort üblich war. Zudem war Oggiers Geschäftsmodell singulär, liess sich also kaum auf ein anderes Gewerbe übertragen.

An der Situation ändert sich in den Folgejahren nun insofern etwas, als Vinanz Oggier nicht mehr jeden Sommer das Dorf verlässt. Im September 1908, als seine Frau aus Gruben zurückkehrt, ist er zu Hause. Er sei «nicht mer in Stelle» gegangen, hält er fest. Im Sommer zwei Jahre zuvor dürfte er zum letzten Mal als Kellner gearbeitet haben. Und zwar in Arolla, wo er nach der Anstellung im Aostatal noch einige Male als Oberkellner tätig war. Anders ist auch, dass Alexandrin, da sie mehr und mehr Kinder zu versorgen hat, in Gruben eine Magd beschäftigt.

Am 3. März 1911 stirbt Vater Moritz Oggier, 71-jährig, nach langer Krankheit, und auf den Tag genau einen Monat später folgt ihm eine Tante. Gemeinsam mit der Stiefmutter Katharina (geb. Bregi) verteilen Vinanz und Alfred das Erbe des Vaters und danach dasjenige der Tante, was Vinanz zum Eintrag veranlasst: «nun hab ich zimlich vil Land». Auch künftig erweitert und arrondiert er den Landbesitz, verpachtet allerdings die eine und andere Wiese. Neu ist, dass die Oggiers zusätzlich in den Obst- und Ackerbau und wenig später auch in den Rebbau zu investieren anfangen. Er hat sich auch ein Pferd und Fuhrwerke angeschafft, während die Angestellten sich weiterhin abwechseln. Im Frühjahr 1911 zügelt die Familie wieder ins eigene Haus zurück. Grund dafür ist, dass Alex Oggier, aus Chicago zurückgekehrt, heiratet und die familieneigene Wohnung selbst nutzen will. Alexandrin führt den Haushalt mit den fünf Kindern allein; ihr Mann beschäftigt fürs Vieh weiterhin eine Frau, während er das Ladengeschäft selbst führt. Die hier erzielten Einkünfte hält er im Journal nicht fest, notiert andererseits 1911 wiederum die bäuerlichen Erträge: eine grosse Menge Heu, über 1'200 Liter Wein und nahezu eine Tonne Kartoffeln.

Das Unglücksjahr. Im Jahr 1913 enden Venanz Oggiers Aufzeichnungen. Vorerst belegen Landkäufe und bauliche Veränderungen in den Rebbergen die fortgesetzte Prosperität der Unternehmungen. Nachdem die Ehefrau wieder im Weiler Gruben arbeitet, beschäftigen sie nun im Haushalt zwei Lehrerinnen. – Mit der Erkrankung einer Tante setzt der schmerzhafte Schlussteil der Aufzeichnungen ein. Vinanz fährt die kranke Frau mit dem Fuhrwerk nach Leuk zum Arzt. Zurück in Turtmann,

brachte man mir die Nachricht mein Söhnchen Heinrich sei von der Oberen Laube ins Jägers Haus za 8 Meter hoch heruntergefallen u Blute / Fritz Jägers kinder kamen zu unsen u diese ginge mit hinüber u lifen hintenhinauf auf die morsche Laube wo ein Ripp vom Geländer fehlte / Dort fiel unser bereits 4 Jahre altes Kind hinunter, Zuerst glaubte man / der Schaden sei eine Sache von einer Woche bis zur heilung / man sah dem Kind nichts an als eine Große Beule auf dem Kopf / das leiden verschlimmerte sich so, daß das Kind am 5 Oktober unter furchbaren Schmerzen zu unsem schreklichen leide starb.

Während das Kind im Sterben lag, musste Oggier auch die schwerkranke Tante ins Haus nehmen. Er schreibt: «Gut sofort holte ich auf einem Tragstuhl die 80 Jährige Todschwache Tante / so hatte ich 2 Todschwache bei mir […] Die Tante erholte sich u unser libling starb. War ein schönes starkes u liebes Kind. An unserm Leid beteiligten sich bereits das ganze Dorf.» Im Unglücksjahr 1913 folgten noch der Tod von Bruder Clemes (in den Aufzeichnungen sonst nirgends genannt) und ein Einbruch in den Laden. Die Diebe hätten in die 70 cm dicke Mauer ein Loch gemacht und seien mit Tuch und weiteren Waren im Wert von 400 Franken verschwunden. Das Journal schliesst er «mit großem Verdruß u Kummer. Lebte nur Heinrich / alles übrige wäre gar nichts.»

Courier in London

Zur Geschichte des Peter Clausen aus Simplon Dorf (1832 - ?)

Migration ins Hotelgewerbe. Da von der Familie ein umfangreicher Briefbestand (insgesamt 46 Briefe aus den Jahren 1858 bis 1883) erhalten ist, lässt sich die Migration ins Hotelgewerbe, sowohl was Erfolge als auch Misserfolge betrifft, bis zu anfangs der 1880er-Jahre nachzeichnen. Vorgespurt wurde die Migration der Söhne vom Vater Josef (1822-1908), besonders aber von dessen zehn Jahre jüngerem Bruder Peter. Josef war Fuhrhalter und Landwirt. Den Hof führte seine Frau gemeinsam mit den Kindern (sie brachte 15 Kinder zur Welt, vier von ihnen starben im frühen Alter), während er in den Sommermonaten Reisende über den Simplon fuhr und im Winter Kutschenfahrten an den Ferienorten der oberitalienischen Seen machte, zum Beispiel in Baveno am Lago Maggiore. Sein zehn Jahre jüngerer Bruder Peter suchte schon früh Arbeit im Hotelgewerbe; zuerst in Menton und Cannes, danach in England. Von der grossen Zahl von Briefen, die er während seines Arbeitslebens schrieb, viele davon an seine Neffen, sind die elf noch greifbar, die er zwischen 1858 und 1870 seinem Bruder Josef nach Simplon schickte. (Mit ihm stand er seit seinem Abschied 1855 in brieflichem Kontakt.) Die Korrespondenz zu sichten, lohnt sich, haben wir es doch mit einem Walliser zu tun, der zu den ersten im Tourismus tätigen Schweizern gehörte. Peter Clausen führte ab ungefähr 1865 in London eine Art Ein-Mann-Reisebüro. Seine Kundschaft waren reiche Engländer und Engländerinnen, denen er nicht nur als Organisator, sondern auch als Courier bzw. Reiseführer zur Seite stand. (Mit dieser Klientel begann bekanntlich der Schweizer Tourismus, insbesondere der Alpinismus.) Clausen führte seine Gäste nicht nur in die Schweiz, die Reiseziele deckten den ganzen Mittelmeerraum ab, inclusive Nordafrika und Kleinasien. Natürlich waren Ausdrücke wie Tourismus oder Reiseführer damals nicht gebräuchlich; man sprach oder schrieb von Reisen und von Organisatoren, Begleiter bezeichneten sich als Couriere.

Polyglossie und Liebesschmerz. Welche Voraussetzungen Peter Clausen mitbrachte, zeigt schon die Lektüre des Briefes, den der 26-Jährige nach Weihnachten 1858 in Glasgow schreibt. Zurzeit sei er ohne Arbeit, habe aber eine Anstellung als Oberkellner in Aussicht. Wenn er den erhofften Lohn erhalte und die Stelle gut sei, werde er am Ort bleiben, «bis ich für mich selbst etwas übernehmen kann / denn diese Stadt ist sehr gut für Geschäfte zu machen». An welche Art von Geschäften er denkt, lässt er offen, aber wir erfahren, dass er, obwohl er bisher gut verdient habe, vorerst Geld verdienen müsse, denn fast alles habe er in die Edukation gesteckt. Ohne die Bildungsausgaben hätte er mehr auf dem Konto, aber es reue ihn nicht, «weil ich hoffe / das es mir einmahl ein groser Nutzen sein wird für mich selbst […] den[n] ietzt spreche ich für mein Nutzten fünf Sprachen / welche ich mankmahl in fünf Minuten alle nutzbar mache, welche sind Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, u. Deutsch».

Sein Bruder, eben als Fuhrhalten resp. Kutscher vorgestellt, spielte zu diesem Zeitpunkt auch mit dem Gedanken, temporär in England zu arbeiten. Peter meint, das mache erst Sinn, wenn er selbst «etwas übernommen» habe und sie gemeinsam wohnen könnten. Sonst müsse er ihm aber wegen der fehlenden Sprachkenntnisse abraten. Das Thema scheint sich damit erledigt zu haben, aber bald schon folgt aus England eine Vorausschau: Er hoffe, dass seine Neffen in der Schule «brav» lernten; er freue sich auf die Zeit, einen Nepot [Neffen] zu sich kommen zu lassen und ihm eine seinen Fähigkeiten gemässe Arbeit zu verschaffen. (Zu dieser Zeit ist Josefs ältester Sohn knapp 10-jährig, ein Dutzend Jahre später wird er in London effektiv vom umfassenden Know-how des Onkels profitieren.) Wie gross Peter Clausens Arbeitsbelastung um 1860 herum ist, schildert er in einem Brief. Oft komme er erst nachts um eins ins Bett und stehe um sechs wieder auf. Er arbeitet weiterhin im Gastgewerbe, ist aber nur halbwegs zufrieden mit der Situation. Jedenfalls scheint es ihm zuzusetzen, dass er so weit weg von zuhause lebt. Etwas melancholisch meint er, in der weiten Ferne seien seine jungen Jahre verschwunden und die Frühlingsstunden verflossen. Die gedrückte Stimmung beziehungsweise das Heimweh hat jedoch eine spezifische Ursache: Liebesschmerz. Eine Freulein Marie trage er schon seit seiner Jugend so tief im Herzen, dass er sie nicht vergessen könne. Er überträgt dem Bruder (der anscheinend erstmals davon erfährt) eine Art Vermittlerrolle. Zumindest soll er Marie den beiliegenden Brief übergeben. Wie tief seine Empfindungen sind, äussert sich darin, dass er keine Beziehung zu einer Frau eingehen will, solange Marie nicht verheiratet ist, er also noch hoffen kann. Tatsächlich äussert er die Absicht, nach dem Ende der Londoner Weltausstellung (wo er 1862 arbeitet) ins Wallis zu reisen, um sich dem Liebesziel zu nähern oder es endgültig zu begraben. Die Skepsis ist deutlich zu spüren: Falls sein «so lange gewünschtes Schicksal in nichts gehen» sollte, werde er nur zwei bis drei Wochen bleiben.

Ob er den Plan umsetzt, lässt sich nicht beantworten. Im nächsten Brief gibt er zwar der Freude Ausdruck, dass der Bruder Grüsse «von der Familie Marie» an ihn weitergeleitet hat. (Wobei der Ausdruck «Familie Marie» womöglich bedeutet, dass die Angebetete unterdessen verheiratet ist.) Aber das Thema taucht ab jetzt nicht mehr auf. Einige Jahre später erfährt man aus dem Brief eines Neffen, Peter Clausen sei in London verheiratet und habe Kinder.

Schon in einem frühen Brief erzählt Clausen von einer Offerte aus Russland. Und von seiner Reaktion darauf: «Ich habe 6000 frs jahrlich verlangt u., wenn sie das eingehen so gehe ich gleich.» Dazu scheint es nicht gekommen zu sein. Wie die hohe Lohnforderung zeigt, scheint das Interesse an einer Anstellung in Russland eher gering gewesen zu sein. Gleichwohl zeugt sie von den Fachkompetenzen und vom Selbstbewusstsein des 30-Jährigen. Jedenfalls ist er nicht gewillt, seine Arbeitskraft unter Wert anzubieten.

Unterwegs in Europa. Wann und wie er schliesslich im Reisegeschäft einsteigt, lässt sich nicht klären. Keiner der Briefe gibt darüber Auskunft. Im Schreiben vom 9. Februar 1866 heisst es dann aber auf einmal, der Brief des Bruders sei ihm gerade eben von Wien aus nach Dresden nachgeschickt worden, und den nächsten solle er ans «Hotel de Russie» nach Berlin adressieren. Nun hat er offensichtlich im Reisegeschäft Fuss gefasst. Leider ist das Original dieses Briefes beschädigt, so dass er inhaltlich lückenhaft ist. Was noch da ist, ist gleichwohl informativ. Zum Beispiel wie sehr er sich freue, dass es Bruder Alois so gut gehe. Alois ist im Jahr zuvor ebenfalls ausgewandert, aber nicht als Arbeitsmigrant, sondern wie die zahlreichen Walliser in den 1850er-Jahren als Siedler. Und zwar nach Argentinien in die Kolonie San Jerónimo Norte. (Über den von den Oberwallisern gegründete Ort wird in den Auswanderer-Geschichten ausführlich erzählt12.) Ausserdem berichtet Clausen, er sei in London an einer Zeitung beteiligt und hoffe, «dass sie sich in kurzer Zeit gut rentieren» werde. Die Hauptbotschaft ist jedoch eine andere; die Reise führt ihn nämlich auch ins Wallis:

Wenn uns [in] unserem Plan nichts veränderen wird, so gehen wir so anfangs April über dem Simplon, u. das nemlich von Italien her, denn von Berlin gehen wir nach Holand, denn nach Belgien, denn den Rhein herauf nach Frankfurt am Main, denn nach München, von dort über Inspruch und dem Brenner Pas nach denn Italienischen Seen, u. dann von dort über den Simplon in die liebe Schweitz herein […]

Das ist eine für die 1860er-Jahre beachtliche Reiseroute. Die Absender-Zeile lautet: «P. Clausen / Courier / Hôtel Belle Vue / Dresden». Es ist davon auszugehen, dass Clausen mit der Gruppe wochen-, wenn nicht monatelang unterwegs ist. Das spricht nicht nur vom Wohlstand seiner Klienten, sondern macht auch deutlich, dass sie keiner Berufstätigkeit nachzugehen brauchen. Gegenüber dem Bruder Stillschweigen über die Identität zu bewahren, gehört zum Selbstverständnis des Couriers. Man geht kaum fehl in der Annahme, dass die neue Tätigkeit einträglicher ist als Clausen Anstellungen im Gastgewerbe. Wie oben gesehen, tätigt er mit einem Teil seiner Einkünfte geschäftliche Investitionen.

Wie reiste man mit noblen Gästen? Wie hat Peter Clausen damals mit den Gästen die grossen Strecken zurückgelegt? (Zahlreiche Daten belegen, wie rasch grosse Distanzen überwunden wurden.) In den 1860er-Jahren wurde das europäische Schienennetz massiv ausgebaut. Die Strecke von Holland über Belgien nach Deutschland und weiter nach Innsbruck beispielsweise konnte mit der Eisenbahn zurückgelegt werden. Über den Brenner nach Bozen und später von Italien aus ins Wallis waren hingegen Pferdekutschen weiterhin das einzige Transportmittel. In Oberitalien bestand um 1860 ein durchgehendes Streckennetz, während dies dem Mittelmeer und der Adria entlang erst gegen Ende des Jahrzehnts zutraf. Wo diese Infrastruktur fehlte, musste ein Courier vieles organisieren und improvisieren, mithinüber entsprechende Talente verfügen. Weltgewandt wie Clausen war, verfügte er auch rasch über ein gutes Informationsnetz. In der Schweiz gab es (von wenigen kurzen Strecken abgesehen) Bahnlinien vom Boden- zum Genfersee, von Basel nach Luzern und dem Genfersee entlang bis nach Sitten. Hier zu reisen war nicht nur der Topografie wegen kompliziert. Besonders wenn ein Courier mit noblen Personen unterwegs war, die, wie das folgende Beispiel zeigt, auf Diskretion pochten. Schon einen Monat nach dem Brief aus Dresden bekommt Josef Clausen eine Nachricht aus Frankfurt. Dieser liegt ein Schreiben bei, das er dem Briger Kutscher Ignaz13 Seiler überbringen soll. Es geht ums Einholen der Offerte für einen aufwändigen Transport:

Lieber Jgnatz Seiler,

Ich bitte Dich mir so schnelle [als möglich] zu antworten / ob du [mich] anfangs Aprill [in] Arrona abholen [kannst.] Ich habe 6 Perso[nen und mit mir] macht 7, aber wir haben wenig Baga[ge.]

Sag mir ungefähr den Preis, was Du von Arrona aus bis auf Sitten14 ve[rlangst]. Ich bitte, Dich noch weiter mir zu wißen zu thun / ob ich auf in den Past [Simplonpass ?] zwei gute Satel Pferd haben kann, mit guten Satel u. Zeunen [Zaumzeug], wenn so, so würdest du im ganzen [nur] 5 Personen haben und doch den gleichen Preis bekommen. Ich sage dir aber / das[s] alles à la [discrétion] / Gehen mus, den die Familie ist sehr nobel, aber ich wünsche / das[s] alles wie viel wie möglich im stillen pleiben mus

P. Clausen

Weil die mehr als 160 km lange Reise ohne Übernachtung nicht zu machen ist, muss der Bruder auch Hotelier Simon Theiler in Simplon Dorf ansprechen, aber nicht, um in dessen Hotel Fletschhorn Zimmer zu reservieren; vielmehr soll Theiler für eine Nacht eine (ihm gehörende) Wohnung bereithalten. Den genauen Zeitpunkt will Clausen aus München mitteilen. Dort werde man in Kürze eintreffen und acht Tage bleiben. Der Brief schliesst mit einer weiteren Bitte: «Haltet alles im stillen, wenn du wegfährst, kannst du sagen, Du gehest auf eine vergnügungs-Reise.» Warum die Gruppe inkognito reist, darüber lässt sich nur mutmassen; jedenfalls muss es sich um bekannte Persönlichkeiten handeln. Umso bemerkenswerter ist der Wunsch von zwei Gästen, einen Teil der Strecke reitend zu bewältigen. Auf der Simplonroute war das nur von erfahrenen Reitern zuzutrauen, was schlussfolgern lässt, dass Clausen mit Leuten adliger Herkunft reist. (Reiter mit sportlichen Ambitionen waren in der Regel Adlige.) Das verrät auch einiges über Clausens Renommee als Reiseunternehmer.

In den weiteren Briefen ist von ähnlichen und noch ausgedehnteren Reisen die Rede. Mit manchen Klienten ist Clausen wiederholt unterwegs, verbringt sogar Wochen und Monate mit ihnen. So gibt es einen Brief aus Montreux, wo er schreibt, die Leute hätten sich kurzfristig entschlossen, für sechs Wochen dazubleiben. Und wie im Jahr zuvor werde er mit ihnen den Winter in Frankreich verbringen. Seine Rolle ist auch die eines Reisebetreuers, was eine emotionale Nähe zur Kundschaft voraussetzt. Ob er während Langzeitaufenthalten auch als gastronomischer Dienstleister aufwartet, ist nicht bekannt, aber wenig wahrscheinlich. Dass er die Kunden zum Beispiel auch ins Theater begleitet, ist belegt. Was das Finanzielle betrifft, so ist anzunehmen, dass Clausens Lebenshaltungskosten von den Klienten getragen werden. Er dürfte auf den Reisen und während der Langzeitaufenthalte auf Spesen der Auftraggeber leben. Auch wenn er manchmal schreibt, wie zufrieden er sei, macht er auch Phasen durch, während denen es ihm gesundheitlich nicht gut geht, aber wenn er darüber berichtet, tut er es knapp und sachlich. Im März 1869 etwa schreibt er aus Neapel, er habe London erst am 19. Januar verlassen und sei die ganze Zeit krank gewesen; sein Schluck [Hals] sei noch immer nicht hergestellt. «Ich habe so viel Doctoren gehabt / das ich mich gar nicht erinneren kann wie viele.» Trotzdem sei er «sehr zufrieden» und in jeder Beziehung glücklich. Hauptgrund ist wohl, dass er es mit dem einzelnen Herrn, mit dem er unterwegs ist, sehr gut getroffen hat. Leider hätten sie wegen des heftigen Windes an diesem Tag die Besteigung des Vesuvs unterlassen müssen. In wenigen Tagen würden sie nach Rom weiterreisen, wo er im «Hôtel de L’Europe» wieder Briefe empfangen könne. Als nächste Station nennt er Sizilien. Man erfährt kaum je, wann eine Reise zuende geht, aber London ist anscheinend jeweils Anfangs- und Endpunkt. Und im jeweiligen Brief danach ist er in der Regel wieder ganz woanders. Am 12. Dezember 1869 beispielsweise schreibt er aus Prag, wohin er am 24. November von London aus gereist sei. Kurz vor Weihnachten werde er wieder in London sein. Er fragt nach den Schneeverhältnissen auf beiden Seiten des Simplons, denn in Kürze will er dorthin reisen. Er freut sich auf die Zusammenkunft mit der Familie des Bruders, weist aber darauf hin, dass er nur über den Mittag bei ihnen sein könne. (Man beachte die genaue Zeitangabe!) Dass Venedig das Ziel ist, übermittelt er nur indirekt, mit der Empfängeradresse «Hôtel Vittoria / Venezia».

Zwischen Hektik und Musse. Das alles erweckt den Eindruck eines hektischen Lebens; in Wirklichkeit erlebt Peter Clausen auch immer wieder Phasen der Ruhe, sei das bei langer Verweildauer an einem bestimmten Ort, sei es, wenn er keine Aufträge hat. Im letzten der noch vorhandenen Briefe zeigt sich das konkret. Am 6. Juni 1870 schreibt er aus Pontresina, er werden am 4. Juli von da «verreisen», [am 9ten über die Furka]{.mark} in Brig ankommen, sich dort «im la Posta aufhalten für Mittag zu machen», dann wahrscheinlich in Siders übernachten und am anderen Tag über Martinach nach Genf, danach weiter nach Paris reisen und [am 20^sten^ schon]{.mark} in London zurück sein. Aber von dort wieder wegzukommen, habe er nichts in Aussicht. Dabei habe er schon einen sehr schlechten Winter gemacht, insofern er nur einen einzigen Monat gearbeitet habe.

Auch wenn keine weiteren Briefe vorhanden sind, lässt sich der Berufsweg von Peter Clausen grob nachzeichnen, denn aus den Schreiben seiner Neffen erfährt man immer wieder, was er tut bzw. wo er ihnen auf den Reisen begegnet. Das ist nicht weiter erstaunlich, halten sich die Neffen doch auch in den touristischen Hotspots jener Zeit auf, und ihr Onkel lässt es sich nicht nehmen, sie zu treffen, wenn er an einem dieser Orte vorbeikommt. Der familiäre Zusammenhalt der Clausens ist, wie auch in der Folge sichtbar wird, von spezieller Qualität.

Peter Clausen wird zum Wegbereiter für seine Neffen

Ebenso eindrücklich sind die Geschichten der Söhne von Peters Bruder Josef. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts arbeiteten sechs von ihnen als Portiers, Kellner, Bedienstete und sogar als Hotelbesitzer im mondänen europäischen Hotelgewerbe.

Anton startet in London, Johannes in Menton. Das Beispiel des Onkels wurde zweifellos Anlass, dass sich Anton (1851-1940), der älteste Sohn der Familie Clausen, und sein Bruder Johannes auf Wanderschaft begaben. Anton reiste im Frühjahr 1873 gemeinsam mit Onkel Peter nach London, der erst 16-jährige Johannes (1857-1926) im Herbst des gleichen Jahres nach Menton. Zu Beginn der 80er-Jahre arbeiteten sechs Söhne der Familie Clausen in ausländischen Hotels. Schliesslich war im Frühsommer 1881 auch Peter, der jüngste, gewillt, Simplon Dorf zu verlassen. Er wollte nach Lyon zu Bruder Xaver. Dieser beschrieb der Familie in einem Brief detailliert, wie er reisen solle:

Wenn es15 den[n] [die] Reis machen will wie ich gemacht habe so geht es von Simplon auf Brigg schlafen, am nachtag verreist es dort mit dem Zug wo um 6 Uhr verreist u. geht von da nach Bouweret u. dort nimt es das Schiff wo nach Genf geht. In Genf tut es schlafen im Hotel von Louis Schitz. Ich weiß nicht recht die Adres mehr aber es kan sie ja den Postmeister in Brig fragen. Am nachtag nimts wider den Zug wo in Genf um 6 Uhr verreist u. wird um 11 Uhr in Lyon ankomen. In Genf läßt du dich von einem Komissionair auf’s Hotel führen u. am Morgen wird den Dich der Herr vom Hotel schon auf die Gar [Bahnhof] führen.

Aufschlussreich ist, wie sehr die Brüder innerfamiliäre Verantwortung übernahmen. So erörterten sie bezüglich des eben genannten Jüngsten untereinander, ob es für ihn schon angebracht sei, von zu Hause wegzugehen. Josef Ignaz schrieb an die Eltern, er habe gegenüber den Brüdern die Meinung vertreten, Peter sei jetzt, im Frühjahr 1881, noch zu jung dafür. Er solle den Sommer über zu Hause arbeiten; im Herbst wolle er ihm dann in Lyon eine Stelle verschaffen, «damit er die Französische Sprache lehrne u. nachher kann es ja den wider zu Hause gehen u. denn die Ku[t]schnerei führen wenn denn es U[n]ser lieber Vater nicht mehr machen will». (Ihm war dann weder eine lange Migrationszeit noch eine Rückkehr beschieden. Er ertrank ein Jahr später in Lyon beim Baden.)

Als zunächst vordringlicher als den potenziellen Verdienst erachtet Xaver den Spracherwerb.16 Was ihn selbst betrifft, so machten sich einzelne Brüder zwei Jahre vorher seinetwegen Sorgen. Anton schreibt im August 1879 aus St. Petersburg an die Eltern, er habe von Ignaz erfahren, Xaver sei träge, arbeite nicht gerne; der Prinzipal sei mit ihm unzufrieden. Sie beide hofften, dass er ihrem Beispiel folge und «sich durch Fleiß u. Mühe zu einem Ehrenmann» emporschwinge. In einem späteren Brief heisst es, er sei «ohne Stelle», aber er werde arbeiten lernen müssen, wenn er essen wolle. Einige Zeit danach gibt Josef Entwarnung. Xaver spreche inzwischen gut Französisch. Er habe die Absicht, wegen des niedrigen Lohns die Stelle zu verlassen. Inzwischen sei er geschickt genug und habe auch verstanden, was es in der Fremde mit der Arbeit auf sich habe.

In den sieben Briefen von Xaver erfährt man nicht, wie er die Zeit um 1878 selbst erlebt, denn sie decken nur den Zeitraum von 1880 bis 1882 ab. Obwohl zu dieser Zeit zwei französische Grossbanken Konkurs machen und in Lyon, Xavers hauptsächlichem Arbeitsort, wirtschaftliche Flaut bzw. Krise herrscht, verlässt er die Stadt erst 1882, um in St. Etienne Arbeit zu suchen. (Im Vergleich zu ihm sind die Brüder geografisch mobiler.) Seinen Texten ist zu entnehmen, dass zu dieser Zeit viele Dienstleister arbeitslos sind oder Stellen haben, wo sie verköstigt, jedoch nicht entlöhnt werden. Xaver dagegen ergattert immer wieder Lohnarbeit (wenn auch schlechtbezahlte). Einmal beklagt er sich darüber, dass er als Hotelangestellter gut gekleidet sein müsse, wofür ein beträchtlicher Teil des kargen Lohnes draufgehe. Er reflektiert auch grundsätzlich über die miserablen Löhne der Angestellten und kommt zum Schluss, dass eben «alle Herrschaften schnell reich werden» wollen. Dazu passt seine Beobachtung, dass ständig Cafés und Restaurants geschlossen und wenig später an den nächsten Ecken neue eröffnet würden.

Die Erfolgsgeschichte von Anton Clausen.

Werfen wir nun einen Blick auf die Persönlichkeit und den Werdegang von Anton Clausen. Er wird zum erfolgreichsten Migranten der Familie. Auch ihm ist der Zusammenhalt unter den Brüdern wichtig. Wie festgestellt, arbeitet er im Sommer 1879 in St. Petersburg. Drei Jahre später ist er Hotelbesitzer in Moskau. Der Käsehändler Ferdinand Roth aus Burgdorf schreibt im April 1884 während einer geschäftlichen Reise nach Russland an seine Frau: «Moscau macht einen eigenthümlichen Eindruck, fremdartig, lebhaft, reich & doch wieder ärmlich, schmutzig. Hier im Hotel bin ich ganz gut, der Wirth ist ein Schweizer Clausen, & ist aus dem Canton Wallis.»17

Zu dieser Zeit folgen Johannes, Ignaz und Xaver ihrem Bruder nach Russland. Um die Jahrhundertwende sind Anton und Ignaz Besitzer des renommierten Moskauer Hotels «Berlin». Xaver führt es als Direktor und wird später auch als Eigentümer genannt. In der Folge reisen auch die Schwestern Antoinette und Melanie aus Simplon Dorf in die russische Hauptstadt, um im Hotel «Berlin» zu arbeiten. Drei Jahre zuvor haben Anton und Ignaz auch das «Hotel und Café-Restaurant la Gare» in Genf übernommen.

Wie es zum spektakulären gesellschaftlichen Aufstieg kommt, bleibt im Dunkeln. Die letzten Briefe von Anton Clausen stammen aus dem Jahr 1881; in keinem ist von der Absicht die Rede, in naher Zukunft ein Hotel zu erwerben. Einzig im Brief eines Bruders aus London wird er 1882 als Hotelbesitzer genannt.18 Johannes drückt darin gegenüber dem Vater die Hoffnung aus, dass es seinem «lieben Bruder Anton in Rusland, mit seinem Hôtel gut ausfalt».

Dass er ehrgeizig und geistig rege ist, erkennt man an den Äusserungen des jungen Mannes rasch. Im März 1874 etwa zeigt er sich in seinem Stolz verletzt, als ihm Johannes schreibt, er bedaure es, dass er in einer so schlechten Stelle sei, dass er hungern müsse. Diese Haltung weist Anton scharf zurück; er will nicht, dass solches unter die Leute kommt. Der Bruder sei doch wohl vernünftig genug, nicht dort zu bleiben, wo er hungern müsse. Dass ihm der gute Ruf der Familie wichtig ist, zeigt sich auch, als Ignaz im Sommer 1875 in Interlaken als Casserolier unter seinem Niveau arbeiten muss. Anton bittet die Eltern, als Adresse nur dessen Namen und den des Hotels aufs Couvert zu schreiben, nicht aber Gaserolje. Es brauche niemand zu wissen, was er dort arbeite.

Zu dieser Zeit ist es Antons drängendstes Ziel, sich möglichst viel Know-how anzueignen. Obwohl auch er in London nur schlecht entlöhnte Kellner-Jobs hat, bleibt er so lange dort, bis er die Sprache beherrscht. Es schmeichelt ihm zwar, dass der Prinzipal damit lockt, ihm eine der beiden Töchter («oder gar beide wen ich will») zur Frau zu geben, wenn er zehn Jahre bei ihm bleibe. Aber er wolle nicht «klebrig sein wie die Zechen» [Zecken]; er wollte beweglich bleiben und so über den Durchschnitt hinaus erfolgreich werden.

Sich freimachen aus kirchlicher Vormundschaft. Für katholische Priester, die die Arbeitsmigration in Touristenorte verteufeln, weil sich die jungen Leute damit aus der Zwangsjacke kirchlicher Kontrolle befreiten, wäre Anton Clausen das beste Beispiel. Er ist grundsätzlich skeptisch gegenüber kirchlicher Autorität. Nach einem (im Detail nicht bekannten) Vorfall anlässlich der Firmung in Simplon Dorf im Sommer 1874 macht er seinem Ärger Luft. Dass die Mutter und die Geschwister frühmorgens aufstehen, um wegen der Firmung und dem Drumherum von der Alp ins Dorf abzusteigen, ist ihm ein Gräuel. Sie würden gescheiter ausschlafen, so dass sie «erst um 11 Uhr durch das [!] gesang der Vögel» aufwachen». Es sei typisch für den Bischof, die Firmung in den Bergdörfern im Sommer durchzuführen, ja, er tue es vermutlich absichtlich. Die meisten Männer seien dann abwesend, so dass er «thun kan was Ihm gefällt mit den Armen jungen Bauers Weiber[n]». Weshalb er derart empört ist, erfährt man nicht, aber einen Hinweis gibt der Satz: «Wen ich eine Frau in Simpeln hätte / selbe müsste mir in jenen 2 oder 3 Tagen weil der Bischoff da ist, theuer verzinset werden, oder in einem finstern Keller eingespert sein.»

Im Brief vom August 1879 aus St. Peterburg richtet er sich zuerst an die Mutter. Er rät er ihr dringend, sich aus den kirchlichen Zwängen zu befreien:

Falls Sie sich in der Alpe befinden, so werden Sie sich im Namen meiner guten Warnung hüten an Sonn- u. Feiertagen ihre lieben alten Glieder abzunutzen u. nach Simpeln zur Messe zu gehen denn daß wäre ja in ihrem Alter ein grosser unsinn. Gott verlangt ja nichts weiter als das der Mensch in seinem Leben doch einmal zum Verstand kommt u. jener Verstand besteht darin daß man sich vor seinem Tod einmal wohl sein lässt. Sollten Sie wirklich noch den unruhigen Gedanken zur Kirche besitzen, so schickt meinetwegen meine Brüder oder Schwester nicht allein wegen der Messe / den daß wäre ja höchst unrecht dafür soviel Zeit zu verlumpen.

Sie sollten vielmehr die Gelegenheit nutzen, Käse, Butter und Ziger ins Dorf zu tragen und auf der Rückreise Esswaren auf die Alp bringen. Er rät ihr zudem, sich in ihrem Alter nicht mehr so sehr an der Arbeit zu orientieren. Wenn es ihr gefalle aufzustehen, solle sie aufstehen, «wo nicht / so bleibt im Bett»19.

Gerade diese Textpassage illustriert, wie sich der junge Clausen aus der Unmündigkeit befreit bzw. wie aufgeklärt er denkt – und bestimmt auch handelt. Und offenbar glaubt er, dass er auch seine Mutter ein Stück weit auf diesen Weg führen kann. Das Misstrauen gegenüber der katholischen Kirche dürfte auch auf Vorkommnisse zurückzuführen sein, die erst in unserer Gegenwart ins allgemeine Bewusstsein gedrungen sind. Öffentlich geäussert, hätte seine Haltung im erzkatholischen Wallis als skandalös gegolten (und würde es bei nicht wenigen noch heute tun).

Witz und Selbstironie. Antons letzte Briefe kommen aus Odessa. Der eine wird vermutlich im Frühsommer 1881, der andere ein halbes Jahr später geschrieben. Er arbeitet im «Hotel d’Europe». Darüber und über weitere Pläne erfahren wir nichts. Er beantwortet beide Male Briefe, die ihm der Vater aus Baveno20 geschrieben hat. Im ersten berichtet er über die schlechten Zeiten, meint aber, er sei es sich gewohnt, mit Geduld zu reagieren. Auch den Humor hat er nicht eingebüsst. So scherzt er über die Orthografie seines Bruders Josef21, da der Vater dessen Brief nur mit Mühe habe lesen können. Dem Text fügt er zwei Strophen eines selbst verfassten humorigen Gedichtes hinzu, mit dem ironischen Titel «Frei nach Clausen» sowie dem Zusatz «als so recht frei nach Schiller». Erstaunlich viel Raum nimmt die Schilderung einer kleinen Begebenheit während des mitternächtlichen Schreibens ein. Sie ist voller Selbstironie: Da er fürs Schreiben Licht angezündet habe, hätten «zwei Fremde» am Fenster Geräusche gemacht bzw. um Einlass gebeten.

Daß selbes nicht Frauenzimer sein konten wusße [!] ich schon, weil ich in der dritten Etage wohne u. also mein Fenster nicht so leicht ereicht werden kan. Deßwegen habe ich mich entschlossen daß Fenster zu öffnen u. wer kommt da rein / zwei junge Schwalben flogen zu mir herein, also könnens vielleicht auch Frauenzimmer sein / da werde ich aber früh Abend nicht mehr nachsehen. Ich bin zufrieden daß ich nach langem hin- u. hertrampeln beide eingefangen u. in mein Hut gebettet habe. Der wird morgen allerdings auch gut aussehen, ich habe sie mit einem Papier zugedeckt u. darin ein Loch gemacht damit sie Athem haben oder besser gesagt Luft / eine ist aber wieder durch jenes Loch rausgeflogen, das will eine schöne Nacht sein mit meinen Einwohnern, wahrscheinlich werden selbe die Rechnung noch mit Ihrem Leben bezahlen müssen wen Sie sich nicht besser aufführen wollen.

War Anton Clausen verheiratet? Was den Zivilstand betrifft, erfährt man aus den Briefen nur wenig. Im September 1876 schreibt er, er werde in Kürze nach Russland reisen, man solle ihm ab jetzt die Briefe postlagernd ans Hauptpostamt in St. Petersburg schicken – und nicht etwa nach Amerika, denn dafür sei er «noch nicht so weit». Zuerst gedenke er, den Zivilstand zu ändern. «Eine Frau muß doch einmal sein, ich habe bereits gut Aus[s]ichten bei einer jungen 63jährigen [!] Bernerin.» Reich sei sie nicht, aber hübsch und lieb. Das sei mehr wert «als ein fliegender Schmeterling, da ich diese nämlich schon habe». Schliesslich bezeichnet er sich selbst als «Verehlich gesinter Sohn» und schreibt im Nachtrag, der Onkel und der Bruder Johann hätten ihm bereits zur Hochzeit gratuliert. In einem späteren Brief (April 1879) befindet er sich kurz vor einer Reise von London via Paris nach Luzern. Er müsse seine Frau zurücklassen, da auch sie zurzeit an einem heftigen verkältungsfieber leide. Daran seien im vergangenen Winter viele Leute gestorben. (In den späteren fünf Briefen wird die Frau nicht mehr erwähnt.)

Was die Briefe erzählen und was sie verschweigen. Anton oder Antoine Clausen (wie er sich häufig selbst nennt) diskutiert in den Briefen eine breite Palette von Themen; er äussert sich über Politisches ebenso wie (mit bäuerlichem Blick) über die Wetterlage und die Folgen für die Ernte. Die Texte sind überdies informativ, was die jeweilige Situation der Brüder und des Onkels betrifft. (Fast alle stehen zueinander in brieflichem Kontakt.) Was er an Wichtigem erfährt, erzählt er den Eltern weiter. Sowohl an die Mutter in Simplon Dorf als auch an den Vater, wenn der als Kutscher am Lago Maggiore arbeitet. Über die eigene Arbeit in den Hotels berichtet er dagegen kaum, und vor allem gibt er nie Auskunft über seine Zukunftspläne. Dabei ist er im Begriff, selbst Hotelier zu werden. Der schon erwähnte Brief von Johann, worin von Antons beruflichem Aufstieg die Rede ist, enthält eine weitere bemerkenswerte Information. Dieses Jahr, schreibt Johann, könne er ihm, dem Vater, kein Geschenk machen.22 Er werde schon gehört haben, «daß ich ungefer vor anerhalb Jahr über 5000 franken unglücklicher weise Verlohren habe / dabei kennen sie denken / lieber Vater, daß mich selbe sach sehr zurük geschlagen hat. ich habe es Euch nicht vorher mitgetheilt, weil ich ihmmer glaubte euch letzten sommer münthlich zu sprechen». Dass Johann einen derart hohen Betrag hat sparen können, ist aufschlussreich.23 Sie nährt die Vermutung, dass Anton, der mindestens ebenso tüchtig und zielstrebig ist wie Johann, um 1880 herum eine weitaus grössere Summe angespart hat und so den wirtschaftlichen Aufstieg realisieren kann.

Die Hauptstationen der sechs Clausen-Brüder sind London, Paris, Lyon, Nizza, Menton, St. Petersburg, Odessa und Moskau. Wie weiter oben schon erwähnt, übernehmen Anton und Josef 1897 auch das Genfer «Hôtel und Café-Restaurant de la Gare». In einer Annonce im «Walliser Boten» vom 14. September 1901 empfehlen sie es in einer damals üblichen Form:

Ein Grossteil des Besitzes geht verloren. Nach der Russischen Revolution verloren die Brüder Clausen ihren Besitz in Moskau. Ignaz und Johannes (dieser mit zwei Söhnen) kehrten 1918 in die Schweiz zurück. Laut Familienstatistik von Simplon Dorf rettete sich Xaver Clausen als letzter Inhaber des Hotels «Berlin» 1920 zu Fuss und auf Viehwagen aus Moskau über Polen in die Schweiz. Einen beträchtlichen Teil ihres grossen Vermögens sollen die Brüder bereits während des Ersten Weltkriegs beim Bankrott der belgischen Bahnen verloren haben.

Keiner der Brüder Clausen kehrte nach Simplon Dorf zurück; sie liessen sich in Genf oder in Frankreich nieder. Einzig die zwei Schwestern wohnten später wieder an ihrem Geburtsort oder in dessen Nähe. Antoinette blieb ledig; sie verstarb 1944 im Greisenasyl in Susten. Melanie verliess Russland bereits um 1904 und heiratete in Gondo einen Bergbauern. Sie lebte im Zwischbergental, wo sie 1958 86-jährig starb.24

Über Anton Clausens weiteren Lebensweg ist ausser dem Todesjahr nichts bekannt. Wie ein Brief von 1995 aus dem Genfer Staatsarchiv zeigt, sind dort die Lebensdaten von ihm und seinem Bruder Jean Joseph Ignace vorhanden. Anton lebte bis zu seinem Tod in Genf und Ignaz im französischen Dorf Châtillon-de-Michaille, etwa 20 km südwestlich von Genf.


  1. «Briger Anzeiger» vom 25. Januar 1901. ↩︎

  2. Klaus Anderegg hat in den frühen 1980ern von Martha, der Tochter von Vinanz Oggier, eine Kopie davon erhalten. ↩︎

  3. So bezeichnen Ärzte zu dieser Zeit eine (lebensbedrohliche) Abmagerung. ↩︎

  4. Die World’s Columbian Exposition 1893 war eine vom 1. Mai bis zum 30. Oktober 1893 in Chicago veranstaltete Weltausstellung, die neunzehnte ihrer Art. Die Ausstellung fand zum vierhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus statt. Wegen der zu kurzen Vorbereitungszeit waren die im September 1891 begonnenen Bauarbeiten zur Eröffnungsfeier am 21. Oktober 1892 nicht vollständig beendet. Die offizielle Eröffnung konnte daher erst 1893, ein Jahr nach dem Jubiläum stattfinden. Es waren 70'000 Aussteller aus 46 Ländern vertreten. Das Ausstellungsgelände war 278 ha gross; die Zahl der Besucher betrug 27.3 Mio. (Quelle: Wiki.) ↩︎

  5. Der Umrechnungskurs von Dollar zum Franken betrug zu dieser Zeit etwa 1 : 6. ↩︎

  6. Theodor Kocher (1841 – 1917) aus Bern war ein in vielen Bereichen forschender und arbeitender Chirurg. Er erhielt 1909 als erster Chirurg den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. ↩︎

  7. Es handelt sich wahrscheinlich um das Hotel de la Poste in Sierre. Das Gasthaus stammt aus dem 18. Jahrhundert und hatte bereits Goethe (1779) beherbergt. Um 1920 war auch Rilke hier zu Gast. ↩︎

  8. Der nur im Sommer bewohnte Weiler Gruben befindet sich auf 1800 m ü.M. im südlichen Seitental von Turtmann. ↩︎

  9. Die Viehpreise sind im Vergleich zu den Löhnen hoch; Bauern können mit dem Verkauf von Rindern oder Kühen gute Einnahmen erzielen. ↩︎

  10. Im Kanton Wallis wurde bis in die 2. Hälfte des 20. Jh.s die Primarschule als Winterschule geführt, vom November bis Ende April. Die Lehrkräfte wurden nur während dieser Zeit entlöhnt, mussten deshalb in der Zwischenzeit einer anderen Beschäftigung nachgehen. Das war für Lehrer oftmals Arbeit in der Landwirtschaft. ↩︎

  11. Das Walliser Klafter entsprach 3.8 Quadratmeter Fläche. ↩︎

  12. Die Kolonie San Jerónimo Norte ist 1856 von den ersten Oberwalliser Auswandern gegründet worden. (Vgl. die entsprechenden Kapitel in «auswanderer-geschcihten.ch».) ↩︎

  13. Ausser in den Zitaten schreibe ich den Vornamen Ignaz, wie es heute üblich ist. ↩︎

  14. Gemäss Google Maps wäre das heute eine Strecke von 160 km mit einer Höhendifferenz von knapp 1'000 m. Mit dem Fahrrad bräuchte man gut acht Stunden, mit einer Kutsche mindestens doppelt so lang. ↩︎

  15. In der Walliser Umgangssprache ist es bis heute üblich, eine männliche Person mit dem Pronomen „es" zu benennen. ↩︎

  16. Ich wechsle ab hier ins grammatische Präsens. ↩︎

  17. Roth, Alfred (1981), Schweizer Käser in Russland, Burgdorf, S, 36. ↩︎

  18. In der Chronologie der Clausen-Briefe ist das der letzte Brief überhaupt. ↩︎

  19. Dass Walliser Kinder ihre Eltern nicht duzten, war nicht nur damals oft üblich; es hielt sich in einzelnen Familien bis in die jüngere Vergangenheit. ↩︎

  20. Baveno liegt am Westufer des Lago Maggiore, hat heute knapp 5'000 Einwohner und ist seit dem 19. Jh. als Ferienort bekannt. ↩︎

  21. Dabei steht es bei ihm damit auch nicht zum Besten! ↩︎

  22. Die Brüder schicken oft vor Weihnachten Geldgeschenke nach Hause. Anton z.B. lässt in den späten 80er-Jahren von London aus eine Fünfpfund-Note nach Simplon Dorf überweisen. Sie hatte einen Wert von mehreren hundert Franken. ↩︎

  23. Um die Kaufkraft einzuschätzen, sei darauf verwiesen, dass Vinanz Oggier ein Jahrzehnt später im Wallis für 11'000 Franken ein dreistöckiges Wohnhaus bauen kann. ↩︎

  24. in: Zur Familiengeschichte der Clausen: Ernst Zenklusen, Familien-Chronik von Simplon-Dorf und Gondo Zwischbergen; zit. nach Klaus Anderegg. ↩︎